Seit ich Mutter bin denke ich mehr denn je: „Ich leiste zu wenig.“ Nun könnte man sagen, das liegt daran, dass ich sehr leistungsorientiert erzogen worden bin. Bei uns galten immer nur vorzeigbare und vor allem gesellschaftlich anerkannte Leistungen wie Abi, Studium, Doktortitel und viel Geld verdienen. Da kam ich mit meinem Hang zu Glitzernagellack und der Lust auf der Bühne zu stehen nur bedingt gut an.
Nur habe ich festgestellt, ich bin damit nicht alleine. Ich sehe ständig Mütter, denen es ähnlich geht. Woher kommt denn das? Gut, Mütterorden gibt es nicht mehr und will man ja auch nicht wieder haben. Aber warum tun wir uns so schwer mit der Anerkennung?
Und das Dämlichste an der Sache ist doch, dass wir Mütter uns auch noch oft genug gegenseitig in die Pfanne hauen. Sind wir eigentlich bescheuert?
Als Sam 14 Monate alt war, traf ich auf einem Geburtstag meine alte Schulfreundin Paula wieder. Seit dem Abitur hatten wir kaum noch Kontakt. Paula ist eine sehr erfolgreiche Anwältin geworden, ist verheiratet und hat drei Kinder. Auf dem Geburtstag hatte sie gerade Nummer 3 (ca. 5 Wochen alt) auf dem Arm. Kindermädchen, Mann und Nummer 1 und 2 waren auch dabei. Ich glaube, Jennifer Lopez reist mit einer ähnlichen Entourage. Während Paula also ihre Nummer 3 stillte, sagte sie zu mir: „Na, Lucie, und du? Lungerst du immer noch in Berlin rum?“
Autsch! Was für ein saudämlicher Spruch. Die richtige Antwort wäre gewesen: „Ja, genau das mache ich. Sam ist jetzt ja schon 18 Monate alt, das heißt, ich liege auf der Couch und lasse mich von ihm bedienen. Kaffee kochen kann er schon ganz gut, neulich habe ich ihn allerdings zum Kiosk geschickt und da hat er die ELLE mit der VOGUE verwechselt. Da gab’s mächtig Ärger.“
Stattdessen piekste mich der Spruch wahnsinnig, während ich krampfhaft in meinem übermüdeten Hirn nach einer guten Antwort suchte. Ich habe zwar zu dem Zeitpunkt schon wieder ein bisschen gearbeitet, aber davon hätte ich nie leben können. Und natürlich hätte ich Sam in einen Ganztagsbetreuung geben können, wie ich während meiner Schwangerschaft auch vollmundig angekündigt hatte.
Nur dummerweise habe ich gemerkt, dass ich mich total überfordert fühlte, ihn so früh abzugeben. Der Spruch piekste, weil auch ich tatsächlich das Gefühl habe, dass „nur“ Muttersein einfach kein Job ist.
Also, vor allen nur mit einem Kind. Mit zwei Kindern sieht das schon besser aus, mit drei hat man noch eine größere Legitimation und mit vier Kindern ist man aus dem Schneider. Wenn dann noch Zwillinge dabei sind, erntet man zusätzlich auch noch Mitleid.
Und was wir Mütter nicht unter einander erledigen, das schafft dann das System:
Meine Freundin Julie lebt in Trennung vom Vater ihres 17 Monate alten Sohnes. Sie ist dadurch ratzfatz zum Sozialfall geworden. An ihr nagt das schlechte Gewissen, ihrem Sohn keine Familie zu bieten, sie hat Liebeskummer und muss sich mit Anfang 40 an das Mutterdasein gewöhnen. Sie hat jetzt einen Kitaplatz, möchte aber ihren Kleinen noch nicht 8 Stunden in eine Institution abgeben.
Aber das Arbeitsamt sagt nicht etwa: „Das ist toll, dass Sie sich die Zeit nehmen, selbstverständlich unterstützen wir Sie“, stattdessen kommt als Antwort:
„Sie stehen dem Arbeitsmarkt nur 25 Stunden zur Verfügung, wir kürzen Ihnen mal die Beiträge. Ach was, davon können Sie mit ihrem Kind nicht leben? Na, dann ziehen Sie sich einmal komplett aus und wir schauen mal, ob wir Ihnen noch was geben können.“ 25 demütigende Anträge später, hilft nur noch viel Glühwein, damit man seinen Humor nicht verliert.
Es hat dem System nicht geholfen, dass Frau von der Leyen selbst 6 (oder waren es 7 ?) Kinder hat. Wir Mütter haben keine große Lobby. Vielleicht sollten wir Milliarden verbrennen wie manche grauhaarige Herren, dann wird man auf uns aufmerksam.
Aber bis dahin sollten wir uns wenigstens gegenseitig feiern und uns daran erinnern, dass wir den wichtigsten Job der Welt machen: Denn unsere Kinder gestalten in zwanzig Jahren, wenn Frau Merkel im Altersheim sitzt und strikt, die Zukunft. Und auch auf die Gefahr hin, dass ich wie die Zeugen Jehovas klinge: So richtig rosig sieht das da draußen ja nicht aus … ein paar empathische aufgeräumte Menschen mehr würde bestimmt nicht schaden.
Wir sollten Champagner trinken, uns gegenseitig auf die Schulter klopfen und uns anfeuern wie beim Marathon! Zum Glück gibt es auch viele gute Beispiele, aber da ist noch Luft nach oben, Mädels! In diesem Sinne: Hoch die Tassen! Ich trinke auf Euch!
P.S.
Ich muss das mit den zwei Kinder revidieren: Meine Freundin Bianca erzählte einer neuen Nachbarin stolz von ihren zwei Kinder. Die Antwort der Nachbarin:
„Zwei Kinder kann jeder.“
Doppelt Autsch!! In der Kita geben sie für schlechtes Benehmen 5 Minuten Auszeit. Ob die hier reichen?
Seit ich Mutter bin denke ich mehr denn je: „Ich leiste zu wenig.“ Nun könnte man sagen, das liegt daran, dass ich sehr leistungsorientiert erzogen worden bin. Bei uns galten immer nur vorzeigbare und vor allem gesellschaftlich anerkannte Leistungen wie Abi, Studium, Doktortitel und viel Geld verdienen. Da kam ich mit meinem Hang zu Glitzernagellack und der Lust auf der Bühne zu stehen nur bedingt gut an.
Nur habe ich festgestellt, ich bin damit nicht alleine. Ich sehe ständig Mütter, denen es ähnlich geht. Woher kommt denn das? Gut, Mütterorden gibt es nicht mehr und will man ja auch nicht wieder haben. Aber warum tun wir uns so schwer mit der Anerkennung?
Und das Dämlichste an der Sache ist doch, dass wir Mütter uns auch noch oft genug gegenseitig in die Pfanne hauen. Sind wir eigentlich bescheuert?
Als Sam 14 Monate alt war, traf ich auf einem Geburtstag meine alte Schulfreundin Paula wieder. Seit dem Abitur hatten wir kaum noch Kontakt. Paula ist eine sehr erfolgreiche Anwältin geworden, ist verheiratet und hat drei Kinder. Auf dem Geburtstag hatte sie gerade Nummer 3 (ca. 5 Wochen alt) auf dem Arm. Kindermädchen, Mann und Nummer 1 und 2 waren auch dabei. Ich glaube, Jennifer Lopez reist mit einer ähnlichen Entourage. Während Paula also ihre Nummer 3 stillte, sagte sie zu mir: „Na, Lucie, und du? Lungerst du immer noch in Berlin rum?“
Autsch! Was für ein saudämlicher Spruch. Die richtige Antwort wäre gewesen: „Ja, genau das mache ich. Sam ist jetzt ja schon 18 Monate alt, das heißt, ich liege auf der Couch und lasse mich von ihm bedienen. Kaffee kochen kann er schon ganz gut, neulich habe ich ihn allerdings zum Kiosk geschickt und da hat er die ELLE mit der VOGUE verwechselt. Da gab’s mächtig Ärger.“
Stattdessen piekste mich der Spruch wahnsinnig, während ich krampfhaft in meinem übermüdeten Hirn nach einer guten Antwort suchte. Ich habe zwar zu dem Zeitpunkt schon wieder ein bisschen gearbeitet, aber davon hätte ich nie leben können. Und natürlich hätte ich Sam in einen Ganztagsbetreuung geben können, wie ich während meiner Schwangerschaft auch vollmundig angekündigt hatte.
Nur dummerweise habe ich gemerkt, dass ich mich total überfordert fühlte, ihn so früh abzugeben. Der Spruch piekste, weil auch ich tatsächlich das Gefühl habe, dass „nur“ Muttersein einfach kein Job ist.
Also, vor allen nur mit einem Kind. Mit zwei Kindern sieht das schon besser aus, mit drei hat man noch eine größere Legitimation und mit vier Kindern ist man aus dem Schneider. Wenn dann noch Zwillinge dabei sind, erntet man zusätzlich auch noch Mitleid.
Und was wir Mütter nicht unter einander erledigen, das schafft dann das System:
Meine Freundin Julie lebt in Trennung vom Vater ihres 17 Monate alten Sohnes. Sie ist dadurch ratzfatz zum Sozialfall geworden. An ihr nagt das schlechte Gewissen, ihrem Sohn keine Familie zu bieten, sie hat Liebeskummer und muss sich mit Anfang 40 an das Mutterdasein gewöhnen. Sie hat jetzt einen Kitaplatz, möchte aber ihren Kleinen noch nicht 8 Stunden in eine Institution abgeben.
Aber das Arbeitsamt sagt nicht etwa: „Das ist toll, dass Sie sich die Zeit nehmen, selbstverständlich unterstützen wir Sie“, stattdessen kommt als Antwort:
„Sie stehen dem Arbeitsmarkt nur 25 Stunden zur Verfügung, wir kürzen Ihnen mal die Beiträge. Ach was, davon können Sie mit ihrem Kind nicht leben? Na, dann ziehen Sie sich einmal komplett aus und wir schauen mal, ob wir Ihnen noch was geben können.“ 25 demütigende Anträge später, hilft nur noch viel Glühwein, damit man seinen Humor nicht verliert.
Es hat dem System nicht geholfen, dass Frau von der Leyen selbst 6 (oder waren es 7 ?) Kinder hat. Wir Mütter haben keine große Lobby. Vielleicht sollten wir Milliarden verbrennen wie manche grauhaarige Herren, dann wird man auf uns aufmerksam.
Aber bis dahin sollten wir uns wenigstens gegenseitig feiern und uns daran erinnern, dass wir den wichtigsten Job der Welt machen: Denn unsere Kinder gestalten in zwanzig Jahren, wenn Frau Merkel im Altersheim sitzt und strikt, die Zukunft. Und auch auf die Gefahr hin, dass ich wie die Zeugen Jehovas klinge: So richtig rosig sieht das da draußen ja nicht aus … ein paar empathische aufgeräumte Menschen mehr würde bestimmt nicht schaden.
Wir sollten Champagner trinken, uns gegenseitig auf die Schulter klopfen und uns anfeuern wie beim Marathon! Zum Glück gibt es auch viele gute Beispiele, aber da ist noch Luft nach oben, Mädels! In diesem Sinne: Hoch die Tassen! Ich trinke auf Euch!
P.S.
Ich muss das mit den zwei Kinder revidieren: Meine Freundin Raffaela erzählte einer neuen Nachbarin stolz von ihren zwei Kinder. Die Antwort der Nachbarin:
„Zwei Kinder kann jeder.“
Doppelt Autsch!! In der Kita geben sie für schlechtes Benehmen 5 Minuten Auszeit. Ob die hier reichen?
Tags: Leben Mutterwürde
5 Comments
Ja, daß die Kinderzahl in Deutschland gerne als Leistungsnachweis gesehen wird, das habe ich immer wieder feststellen dürfen. Und leider gibt es sogar mir bekannte Mütter, die sich seit Jahren auch von ganz alleine unter großen Druck setzen, weil sie „nur“ Mütter sind. Mir ist das mehr als unverständlich. Mit größter Genugtuung habe ich die Kettenreaktionen zur Kenntnis genommen, wenn hier und da aus unterschiedlichen Gründen eine Mutter im Alltag „ausfällt“, und man ein ganzes Familiengefüge auseinander krachen sieht, wenn plötzlich andere die täglich anfallenden (ansonsten gerne belächelten) Arbeiten übernehmen müssen. Das sind sehr heilsame Erfahrungen für die einzelnen Familienmitglieder. Plötzlich wird einem mit Hammerschlägen bewußt, was eine Mutter in der Regel zu leisten hat. Und daß das nicht wenig ist, das wissen Mütter. Den anderen wird es dann erst klar.
Bei der Nachbarin der Freundin wären 5 Jahre, bei denen sie sich 100% um zwei-kann-ja-jeder Kids kümmert, nicht reichen.
Ich verstehe nicht, warum sich Mütter in ihrer Grossartigkeit immer wieder versuchen in die Pfanne zu hauen, statt sich gegenseitig zu unterstützen.
Darum, Champagner auf alle, ob Kein-Teil-oder-Fulltimemama! *cheers
Danke für den weiterführenden Link, ich glaube dein Buch hat schon eine Vorbestellung 🙂
Bei uns sagt man „Ein Kind ist wie Urlaub!“ 🙂
(aber wie schon erwähnt bin ich mit 2en aus der Sache raus und habe „Mutterschutz“…ähm… „Erziehungsurlaub“…. ahhh wie war das?
Großartig! Du kriegst ein signiertes! 🙂
[…] In deinem Blogartikel „Auf uns Mütter“ schreibst du darüber, dass sich Mütter oft (unbeabsichtigt) gegenseitig in die Pfanne hauen und […]