„Mama, wir habe heute Yoga macht!“, begrüßt mich Sam, als ich ihn letzte Woche von der Kita abhole. Ich stutze und schaue leicht irritiert seine Lehrerin an.
„Yes, we did some yoga in the afternoon to relax the kids“, erklärt sie mir.
„Und ish kann downdog“, quietscht Sam und zeigt mir im Flur der Kita seinen nach unten gerichteten Hund, der weit besser aussieht als meiner.
„Und ish kann Liegestütz!“, kreischt er und zeigt mir, wie er mit einem Bein in der Luft mal ganz lässig fünf Liegestütze hintereinander macht. Wenn Marc das sieht, dann kotzt der im Strahl vor Neid.
Okay, mal abgesehen von meinem Neid, dass mein Sohn nach seiner ersten Yogastunde die Übungen besser beherrscht als ich, bin ich einfach konsterniert: Yoga für Vierjährige zur Entspannung?? Die haben in der Kita einen traumhaft verwunschenen Garten. Warum schicken die Erzieher die Kinder nicht einfach raus, um sich zu entspannen? Nach ein paar Runden fangen oder Fußball werden die schon ihre überschüssige Energie abgebaut haben. Ja, es hat ein bisschen genieselt, aber wozu haben denn alle Kinder hier HUNTER Wellies?
Vor allem ist Sam auf dem Weg nach Hause weit entfernt von entspannt, sondern hüpft wie ein neu gekaufter Flummi durch Kensington Gardens. Und erst als ich ihn wie einen jungen Hund ein paar Mal den Hügel hoch und herunter jage, wird er ruhiger.
Meine Freundin Mia ist gerade von Madrid nach London gezogen. Dort gehen die Kinder mit 3 in die Schule und kriegen Hausaufgaben auf, die natürlich die Eltern machen müssen. In England geht man mit 5 in die Schule. Kann aber auch passieren, dass man einen blöden Geburtsmonat erwischt hat und schon mit 4 eingeschult wird, wie Coco, die Tochter meiner Freundin Lea. „Die konnte noch nicht mal den Stift richtig halten. Coco war motorisch total überfordert.“
Ohgottohgottohgott… was ist denn bloß los hier? Wohin wollen wir denn so schnell? Müssen Kinder schon mit 4 Yoga lernen, damit sie für später wissen wissen, wie man sich im Großraumbüro entspannt? Vielleicht will Sam ja Waranforscher werden oder die Antarktis durchschwimmen? Oder er will durch Indien trampen oder in Afghanistan Ziegen hüten. Was weiß ich denn?
In der SZ war letzte Woche ein Artikel über die Jungs von der Baumschule. Also, so ganz ohne Schule ist für mich nicht wirklich die Alternative, aber eine andere, die mehr Freiraum bereithält und als Unterrichtsfach Bäumeklettern und Löcher in die Luft starren hat! Wie seht ihr das?
P.S.
Der Blog Stadt Land Mama hat eine tolle Serie ins Leben gerufen zum Thema „Wir lieben Elternsein“. Wer meinen Beitrag dazu lesen möchte hier entlang.
Tags: Erziehung Kita London
3 Comments
Au Weia…. ich bekomme schon in Berlin Mitte Angst, wo 4 Jährige nach der Kita noch zum Ballett, Geigenunterricht und sonst wo hingehen.. 🙁
Ich denke: Lasst die Kinder spielen!!!
Dabei lernen sie so viel.
***die lisa
Holla!
Meiner Meinung nach werden die Kinder heutzutage ziemlich überfordert mit Aktivitäten, die nach dem Kindergarten und nach der Schule statt finden.
Bei meinem Sohn ist einmal in der Woche „Turnen“ in einer nahe gelegenen Turnhalle. (Bei gutem Wetter spielen die Kinder aber eigentlich sowieso im Garten.) Und einmal in der Woche ist „Musikschule“.
Ich habe den Sinn von Fremdsprachenunterricht bei Kindern – die 3 Jahre alt sind – noch nicht verstanden.
Man sollte die Kinder in erster Linie noch Kind sein lassen. Das bedeutet für mich, dass man sie spielen lassen soll, wie sie möchten. Ob sie nun puzzlen wollen, oder mit Autos oder Puppen spielen, sich Bücher anschauen, toben etc.
Eine Freizeitaktivität pro Woche zusätzlich ist in Ordnung, finde ich.
Dietwart
Ich finde, dass du prinizipiell Rech hast, doch beim Thema Yoga, würde ich mir persönlich nicht den Kopf zerbrechen. In Indien werden den Kindern schon sehr früh Yogaübungen nahe gelegt.
Schließlich steht diese „Sportart“ auch für das Kennenlernen des eigenen Körpergefühls und hat auch viele gesundheitliche Vorteile.
Es ist im Grunde ja nur eine Art Turnen. Ohne jeglichen Konkurenzkampf oder frühzeitiges „Erwachsen-werden“. Wenn es deinem Sohn jedoch keinen Spaß macht, ist das etwas anderes. Aber er scheint sich doch prächtig zu amüsieren! 🙂
Ich glaube, dass Kinder in diesem Alter ruhig verschiedene Dinge ausprobieren sollten, ganz ohne Zwang oder Stress. Und wenn’s eben ein paar Yogaübungen sind, ist das doch völlig in Ordnung.
Lieben Gruß,
Pouline