„Ish überlege mal“, ist Sams standardisierte Antwort, wenn es darum geht, ob er woanders übernachten möchte. Eigentlich ist es aber eine sehr höfliche, ja fast britische Art zu sagen: „Hast du ein Rad ab? Nie im Leben, Alte!“
Letzte Woche war Kitaübernachtung. Schon im Januar, während die anderen Kitakinder bereits die Nächte bis zur Kita-Übernachtungen zählten, ließ Sam uns wissen, dass er auf keinen Fall teilnehmen würde.
Im März sagte er “Ish überlege mal“ und man soll es nicht glauben, aber im Mai hörte ich ihn sagen „Vielleicht wirklich, Mama.“ Carlos, Sams allerbester Kita-Freund, wollte ja schließlich auch übernachten und dann hatten die Erzieher noch die grandiose Idee, dass jedes Vorschulkind sich einen Kleineren aus der Gruppe aussuchen dürfte, der ebenfalls in der Kita schläft. Denn eigentlich ist diese letzte Kitaübernachtung nur für die Großen gedacht.
„Ish habe mir Elias ausgesucht“, lässt mich Sam wissen.
Ich nicke beiläufig. „Keinen Druck ausüben“, denke ich mir. Bloß nicht „Hurra“ brüllen oder sagen „Siehste, geht doch!“
„Jetzt habe ich ja auch jemanden zum Kuscheln“, erklärt er. Ganz ‚Jesper Juul’ erwidere ich mit neutralem, nicht wertendem Ton: „Das freut mich für euch, das klingt nach viel Spaß. Und den Carlos hast du ja auch noch zum Kuscheln.“ Innerlich gebe ich mir High Five. Geht doch!
Der Tag der Kitaübernachtung ist gekommen. Sam packt zwar Schlafanzug und Kuscheltiere ein, hakt aber nach: „Du holst mich ab, wenn ich nicht will?“
„Ja, wie versprochen“, nicke ich. „Aber du versuchst es, okay? Und ihr schaut einen Film und kocht zusammen und dann schlaft ihr einfach ein.“ (Okay, das mit dem versuchen war glaube ich nicht Jesper Juul würdig. Aber vielleicht hat Sam es ja überhört?)
„Ish überlege mal“, ist die mir nur allzu bekannte Antwort.
Ich tue mich so schwer damit, seine Gefühlslage nachzuvollziehen, weil ich so anders war als Kind. Ich habe mit dreieinhalb Jahren zum ersten Mal woanders übernachtet, weil ich unbedingt wollte. Meine Mutter schlief angezogen neben dem Telefon und schreckte stündlich hoch, um zu checken, ob das Telefon auch funktioniert, während ich tief und fest im Bett der Freundin schlief. Als sie mich am nächsten Morgen abholte, war ich total beleidigt, dass sie so früh kam.
Es ist bereits 21 Uhr und ich denke „Juchhu! Er ist einfach eingeschlafen! Ach, jetzt ist er ja auch schon fast 6.“ Weit gefehlt.
Sam hat mitgekocht, sich den Film angesehen (im Pyjama), aber der Abspann hatte noch nicht ganz begonnen, da sagt er: „Könnt ihr bitte meine Mama anrufen? Ich schlafe lieber zuhause.“
Also, hole ich ihn ab und versuche es noch einmal vor der Tür der Kita: „Sam, wenn ich dich hier zu Bett bringe und dir noch einen dicken Kuss gebe, meinst du dann geht es? Kitaübernachtung ist doch sooo lustig!“
Er sieht mich ganz ruhig an, schüttelt den Kopf und sagt: „Ish weiß nicht, was da lustig ist. Ish shlafe lieber bei dich.“
Tja, das hat man davon, wenn man sein Kind dazu ermuntert, seine eigene Meinung zu entwickeln und diese auch noch jederzeit zu äußern. Verflucht.
Am nächsten Morgen um 7 Uhr wacht Sam auf und will sofort zum Frühstück in die Kita. Wir radeln hin. Und während alle anderen Kinder verschlafen und zerknautscht am Tisch sitzen, ist er putzmunter und glücklich dabei zu sein. Tja, jeder Jeck ist anders. Das muss nur noch irgendwann auch mal seine Mutter begreifen.
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11 Comments
Hihi,sehr schön geschrieben. Natürlich..sie sind alle anders, das ist allerdings auch gut so 🙂 Meine ältere Tochter hatte letztes Jahr ihre Übernachtungs Party im Kindergarten…ich wundere mich dass ich nicht angerufen wurde sie abzuholen…sie hat es aber durchgezogen, auch wenn sie anfangs bedenken hatte. Die jüngere ist am Wochenende dran und sie redet von nichts anderem 🙂 So verschieden sind die kleinen 🙂
Liebe Grüße
Ja, und bei zwei Kindern sieht man das noch besser! 🙂
Lieben Gruß
Lucie
Ich kann Sam da gut verstehen. Ich war da als Kind auch eher aengstlich und wollte es nicht. Irgendwann war es dann anders, und ich fand es ganz prima und toll.
Und jeder hat sein eigenes Tempo. Ich bin mir auch ziemlich sicher, das er irgendwann auf den Geschmack kommt und ich dann betteln muß, das er auch mal zuhause bleibt…
Ich fand Kita-Übernachtung auch nicht so toll. Aber bei uns gab es auch keinen Film!
Am besten finde ich den Satz: Ich weiss nicht was daran lustig ist.
Dein Sohn ist schon eine Marke 🙂
Y.
Ohne Film ist das ja auch total doof! 😉
Oh ich kann Sam sehr gut verstehen, eigentlich sogar ganz genau! Denn auch ich habe alles bei der Kindergartenübernachtung mitgemacht, mich von Papa abholen lassen und morgens wieder zum Frühstück bringen lassen 😉 Im eigenen Bett schläft es sich halt am Besten!
Ehrlich gesagt, mittlerweile schlafe ich auch am liebsten im eigenen Bett…
Hihi kenn ich 🙂
Meine Große ist 12 und findet Ubernachtungspartys total doof. Nichtmal bei der Oma mag sie schlafen. Nächste Woche gehts auf Erlebniswoche und sie hat jetzt schon Bammel. Allerdings macht sie es wenn es nicht anders geht. (Aber auch erst seit 2 Jahren)
Der Sohnemann ist total anders, der würde täglich und bei allen schlafen 🙂 Schon von anfang an.
Man muss sie machen lassen. irgendwann verwächst sich das.
LG Starky
Aber toll, das sie es macht! Es schweißt ja schon alle zusammen, wenn man gemeinsam auf Erlebniswoche geht.
Lieben Gruß
Lucie
Hehe – desh is jut 🙂 Dafür hab ich eine große Tochter, die dauernd woanders schlafen möchte. Auch nicht wirklich toll 😉
Liebe Grüße
Isa