„Mama, wir haben heute keinen Unterricht gehabt! Nur Hort!“, strahlt mich Sam an, als ich ihn letzte Woche von der Schule abhole. Mein Lächeln ist eher gequält, als ich die „gute Nachricht“ vernehme.
Ich gehöre zu den Müttern, die Schule jetzt nicht auf Platz 1 der wichtigsten Dinge im Universum setzen. Ich beäuge unser Schulsystem sehr kritisch. Ich mag nicht, wie versucht wird, alle Kinder gleich zu machen. Ich mit der Meinung, dass jedes Kind mit unglaublichen Gaben und Talenten geboren wird, dass jeder anders ist und vor allem anders abgeholt und angesprochen werden muss.
Wenn Eltern sich darüber unterhalten, wo man in der 1. Klasse Nachhilfeunterricht bekommen kann, dann steige ich mental aus. Ich finde, Kinder sollte in der 1. Klasse beigebracht bekommen, Spaß am Lernen und Entdecken zu entwickeln. Für mich ist es wichtig, dass sie lernen, in der Gruppe mit anderen umzugehen, Konflikte zu lösen, und wie es ist, wenn andere besser oder schneller sind oder langsamer oder schlechter.
Seit den Sommerferien ist allerdings soviel Unterricht ausgefallen, dass sogar ich denke: „Scheiße, der muss jetzt auch mal was lernen…“ Und wenn dann eine Erzieherin im Hort sich mal erbarmt und versucht, das Fehlen der Lehrer aufzufangen und mit den Kindern Diktat übt, dann habe ich abends ein vollkommen überfordertes Kind am Tisch sitzen. „Mama, ich habe doch noch nie Diktat gemacht! Ich kann das nicht!“.
Und dann rede ich mit der Erzieherin am nächsten Tag und erkläre Sams Überforderung und ernte Verständnis und die Aussage: „Die Kinder sind so hinterher. Ich versuche nur zu unterstützen, wo ich kann.“
Verflucht. Jetzt bin ich voll im Schulschlamassel drin. Denn jetzt sitze ich am Nachmittag und übe mit ihm. Und versuche dabei, soviel Spaß zu haben wie es geht. Und versuche das „e“ als Looping auf der Achterbahn zu erklären und das „d“, die Dinger mit dem dicken Bauch wie vom Opa. Diktat üben wir mit Tiernamen. Und zum Glück haben wir dieses Tierbuch, aus dem er täglich Tiernamen wie „Europäische Sumpfschildkröte“ abschreibt. Und es auch noch toll findet.
Ich hatte mir geschworen, dass ich eine lockere, coole Schulmutti werde. Wenn ich meine Freundinnen mit älteren Kinder sah, wie sie bei Youtube sich Flächenberechnung erklären lassen, um mit ihren Kinder Mathe zu machen, dachte ich nur: NEVER EVER!
Aber wenn ich jetzt in die Zukunft schaue, dann sollte ich wahrscheinlich schon mal die Links zu den besten Youtube Videos speichern.
Dabei erwarte ich gar nicht viel von der Schule. Ich will, dass die Lehrer da sind, ich will dass sie einen Weg finden, den Kindern auch bei ätzenden Aufgaben Spaß zu vermitteln. Ich will, dass die Kids lernen, sich zu organisieren, dass sie sozial sind, dass Konflikte besprochen und nicht „gehauen“ werden, dass man sich streiten darf, dass es hart ist, wenn der beste Freund plötzlich einen neuen besten Freund hat. Dass man sich manchmal durchbeißen muss und dann stolz sein darf, und dass man manchmal auch sagen darf: Nicht meins.
Erwarte ich zuviel? Wie seht ihr das? Und was erwartet ihr von der Schule?
3 Comments
Meine Tochter ist in der fünften, mein großer schreibt nächstes Jahr Abi. Ich kann nur von mir sprechen: Ich habe zwei gute Schüler zu Hause und habe keine Probleme und selten miese Geschichten zu erzählen.
Die beide in der fünften Klasse vor neuen Herausforderungen standen/stehen, nachdem in den ersten vier Jahren alles zugeflogen ist (meine Tochter hatte in den letzten Zeugnissen nur Einsen. Nicht mal eine Zwei…irgendwas muss da leichter geworden sein). Und auf einmal wird es schwerer (und Papa gibt die Schuld natürlich auch: dem Lehrer….ist ja einfacher)
Ich kotze, wenn Unterricht ausfällt und nicht ersetzt wird, weil er den Kids langfristig – in meinen Augen fehlt. Aber ich bin der Meinung, dass die Schule keine Eltern ersetzen kann. Eltern müssen ihren Kindern beibringen sich zu organisieren, nicht die Grundschule/Schule. Eltern müssen den Kindern zeigen/erklären, wie die Welt funktioniert, nicht die Lehrer (die haben doch nie was anderes gesehen als eine Schule und ne Uni, was wissen die denn schon ;))).
Und Eltern müssen Kinder auch auffangen, wenn was schief läuft, sie aber genauso auch ärgern und nerven, wenn sie rumjammern, weil etwas nicht nach ihrer Nase läuft (die Kleine war mit einem Test neulich überfordert, weil sie die Fragestellung nicht verstanden hat – der Lehrer war natürlich schuld und es war ein Riesendrama, dass wir sagten: Vielleicht hast du dir nur nicht genug Zeit zum lesen genommen – ich Rabenmutter).
Ich kotze übrigens auch, wenn ich in der Kita sitze und eine der Eltern fragt, wann denn nun mit der Sauberkeitserziehung angefangen wird – wtf! Ich dachte, das ist Elternjob?
Ich kotze, wenn ich Eltern von Zehntklässlern (!) beim Elternabend sitzen habe, die ihren Kindern nicht beigebracht haben, mal für eineinhalb Stunden das fu* Handy im Kino auszuschalten (bei der Berlinale!) – dann aber sagen: dann müssen die Lehrer das den Kindern halt wegnehmen…DIE SIND 15/16 JAHRE ALT!!!!
Und ich ärgere mich über Eltern, die ihre Erziehung gern abgeben möchten, weil sie selbst keine Zeit oder keine Lust haben. Ich bin da sehr radikal. Aber mei: Man macht doch immer irgendwas zum ersten Mal. Gerade wir Erwachsenen sollten das wissen. Da ist ein erstes Diktat oder das vereinfachte Wahlprogramm einer Partei (das meine Tochter in Gesellschaftswissenschaften analysieren sollte) halt einfach auch mal dabei. Und ja. Da sind dann wir Eltern gefragt. Weil: Ist ja auch ein bisschen unser Job unseren Kindern was beizubringen.
Natürlich ärgere ich mich auch über Lehrer. Aber die können zum Teil ja heute nicht mehr anders, als vor den Eltern zu kuschen.
Liebe Dani,
Nein, die Schule kann und soll nicht die Eltern ersetzen. Da bin ich völlig bei Dir.
Nur verbringen die Kinder enorm viel Zeit in der Schule, das heißt die Lehrer haben eine Vorbildfunktion. Und ja, es gibt Dinge für die, die Kinder in die Schule gehen und für die ich mich nicht zuständig sehe: Allgebra, Chemische Formel etc. Üben? Ja klar. Beibringen? Nein. dazu gibt es die Schule.
Wenn ein Lehrer jeden Tag zu spät kommt und sei es auch nur 5 Minuten, dann kann ich meinem Sohn soviel wie ich will erklären, dass Pünktlichkeit etwas mit Respekt zu tun hat. Wenn der Lehrer es tagtäglich anders zeigt, stehe ich auf verlorenem Posten.
Wenn kein (e) Lehrer(in) da ist oder es sooft gewechselt wird, das der eine nicht weiß, was der andere macht, dann hilft es nicht, wenn ich meinem Kind zusammen Hefte anlege und ihm erkläre, wie es Sinn macht sich aufzuteilen.
Das erwarte ich schlicht und ergreifend von der Schule. Ich erwarte, das es Hand in Hand geht. Ich erwarte, das es eine verläßliche Instanz ist. Und ich unterstütze das gerne. Aber es gibt Dinge, die möchte ich von der Schule übernommen haben und nicht zu Hause ersetzen müssen.
Ich möchte unter den Umständen, wie ich sie beobachte auch kein Lehrer sein. Sie müssten mit den Krankenschwestern/ Pflegern zu den best bezahltesten Berufen gehören. In der Realität sieht das anders aus. Die Umstände sind oft mehr als beschissen, von der Bezahlung ganz zu schweigen.
Es ist und bleibt eine Crux, nur werde ich alles tun, damit mein Sohn da nicht unter die Räder kommt, sondern Spaß hat und seinen Wissenshunger gestillt bekommt.
Liebste Grüße,
Lucie
Liebe Lucie,
vielleicht ist genau das das Problem: unsere Kinder (meine eingeschlossen) verbringen so viel Zeit in der Schule bzw. Kindergarten. Klar, geht ja nicht anders. Aber das System Schule ist nicht für Eltern gemacht, vielleicht noch nicht mal für Kinder, und sicher nicht für Lehrer: das System Schule ist, wie auch die Deutsche Bahn, eine Staatsunternehmen. Schlimmer noch, anders als die Deutsche Bahn ist Schule, dank des Föderalismus, Ländersache (ein Riesenproblem, wenn Du mich fragst). Und wie alle Staatsunternehmen soll Schule vor allem eine Sache: möglichst wenig Geld kosten. Daher gibt es immer höchstens so viele Lehrer, wie gebraucht werden. Wenn es zu wenig Lehrer gibt, dann werden die Stundenzahlen und sonstigen Aufgaben erhöht oder Quereinsteiger eingestellt. Die Referendare, die fertig werden, bekommen befristete Verträge bis zu den Sommerferien. Die Belastung steigt. Die Lehrer werden krank. Es gibt aber keine Vertretungslehrer (siehe oben), also müssen die Kollegen vertreten. Die haben also immer mehr Aufgaben. Dann werden sie auch noch krank. Teufelskreis. Ich polemisiere? Nein, Schulen müssen immer wieder die schlechte Putzfirma anstellen, auch wenn der gekündigt wurde, weil nicht gut geputzt wird. Warum? Weil sie die billigste ist. Schulleitungen müssen sich auf harte Verhandlungen und listige Diskussionen einlassen, wenn sie versuchen, statt ungesundem Mensafraß einen etwas gesünderen Mensafraß anzubieten. Warum? Weil diese Firma etwas teurer ist.Lehrer müssen mit Jugendämtern um Unterstützung für ihre Schüler kämpfen, denn die kostet ja etwas. Was würde helfen gegen ständigen Unterrichtsausfall und überforderte Lehrer? Mehr Geld. Mehr Geld für Lehrer (also nicht mehr Gehalt, sondern wirklich einfach mehr Personen), mehr Geld für weniger Stunden, mehr Geld für kleinere Klassen, mehr Geld für Schulgelände, die kindgerecht und schallisoliert sind, mehr Geld für Renovierungen, wenn etwas kaputt ist und nicht, wenn die Renovierung zeitlich ansteht. Mehr Geld für Unterstützung der Inklusionskinder, nicht, dass eine FSJ Kraft sich um zwei Erstklässler kümmern muss. Kann es so einfach sein? Sicher werden nicht alle Schulprobleme durch Geld gelöst. Aber Unterrichtsausfall, der schon. Ist es an Privatschulen besser? Meiner Meinung nach nicht, bei dem Überblick, den ich habe (kann mich aber natürlich täuschen). Das Faß mache ich jetzt aber nicht auf, das wird sonst zu lang. Was können wir tun? Wirklich mal versuchen, politisch Dinge zu ändern, das muss auf die Agenda, denn als ich letztes Mal geschaut habe, hatte Deutschland nicht viel andere Ressourcen als kluge Köpfe. Aber bitte.