Ab wann macht es Sinn, sein Kind in irgendeinen Sportverein zu schicken? Diese Frage treibt mich seit ein paar Wochen um. Denn der Sommer neigt sich dem Ende zu und der Winter ist hart in Berlin. Also, wo kann sich Tornado-Sam dann austoben?
Eine Nachbarin erzählte mir von einem kleinen Fußball – Verein, der ein paar Straßen entfernt von uns auf dem Sportplatz einer Schule trainiert. Im Sommer spielen die Kinder draußen, im Winter in der kleinen Halle. „Und ehrlich gesagt das Ganze ‚Training’ zu nennen ist auch übertrieben“, erzählt sie mir. „Die kicken ein bisschen und der Trainer ist saunett! Die Kinder lieben ihn.“ Das hört sich gut an.
Ihr Sohn ist gerade 5 geworden und findet es ganz toll. Und Sam findet ihren Sohn ganz toll. Das könnte doch eine gute Kombi sein. Denn Sam findet grundsätzlich alle Kurse, wo er ohne Mama irgendwas machen muss „total besheuert!“
Gestern ist es soweit. Ich hole Sam extra früher von der Kita ab, damit er sich noch umziehen kann. Er ist gut gelaunt und will auf jeden Fall „football spiele!“ Zuhause angekommen stelle ich fest: Ich habe meinen Haustürschlüssel irgendwo liegengelassen. Scheiße!
„Sam“, sage ich, „wie haben ein Problem: Ich habe keinen Schlüssel. Deine schnellen Fußballschuhe hast du zum Glück an, dann lass uns jetzt direkt zum Training gehen.“ Die Antwort: „No, ohne Deutschland Trikot kann ish nish spiele!“
Oh, verflucht. Bitte nicht. Es fing doch alles so gut an und jetzt soll meine ganze Sport-Winter-Planung scheitern, weil ich Idiot irgendwo meinen Schlüssel liegengelassen habe? Ich sehe schon meine Felle davon schwimmen.
Ich rufe Marc an. Der ist zum Glück in Berlin und wollte sowieso noch kurz zuhause vorbeifahren, um seinen Koffer zu holen, bevor er wieder mal nach London fliegt. „Das ist ein Notfall, Schatz“, sage ich, „du musst doch noch zu Hause vorbei. Kannst du ein bisschen früher kommen und Sams Trikot zum Sportplatz bringen? Und mir den Ersatzschlüssel bitte!“ „Und die shorts!“, quakt Sam dazwischen, „football player haben immer shorts an!“
Wir gehen zum Sportplatz. Meine Nachbarin ist bereits dort. Ihr Sohn hat nicht nur ein Deutschland – Trikot („Wann kommt Papa endlish???), sondern auch noch Torwart – Handschuhe. „Ish will auch Torwart – Handshuhe!“, knatscht Sam.
„Warum schaust du nicht erst mal, ob es dir gefällt? Dann können wir über Torwart Handschuhe reden.“ Marc kommt gerade noch rechtzeitig mit dem Trikot, bevor alles losgeht. Schnell umgezogen und Sam rennt mit den anderen Kindern aufs Feld.
„Großartig“, denke ich, „das klappt ja viel besser als ich es mir vorgestellt hätte!“ Ich hatte den Gedanken aber noch nicht ganz fertig gedacht, da steht Sam heulend vor mir: „Mama, meine Ball is ein bisschen broken und ish brauche Torwart Handshuhe!“ Ich rede auf ihn ein, merke aber vor Beendigung des Satzes schon, dass es natürlich weder um das eine noch das andere geht. „Ish will auf deine Shoss sitzen, Mama!“ Das hatte ich erwartet.
Und ich bin genervt. Ich WILL unbedingt, dass es klappt! Und während ich unaufhörlich auf ihn einrede, höre ich eine Stimme in meinem Kopf: „Haaaaaaaaaaaalloooo Lucie, jemand zuhause? Was machst du da? Das hat doch noch nie geklappt!“ Aber ich bekomme die Kurve nicht. Ich rede weiter und finde den Stoppknopf nicht. Sam hat überhaupt keine Lust mehr, er klettert in seinem 1 A Fußball Outfit am Zaun herum und interessiert sich für alles andere, nur nicht für das Training.
Eine halbe Stunde später sind wir wieder zuhause. Sam spielt Lego und plötzlich fängt er laut an zu singen. „You just dont knooooow“, singt er sehr dramatisch mit Rockstar Gesichtsausdruck: „I waaaaant to liiiiive… yeah, yeah, yeah!“ Er nimmt ein Kissen, spielt damit Gitarre und hüpft von der Couch. „Was ist das für ein Song?“, frage ich. „Habe ish selber gemacht“, ist die Antwort.
Mmmh, denke ich, vielleicht sollte ich ihn statt Sportverein in einem Musikkurs anmelden! Allerdings nicht in so einem „Ein Vogel wollte Hochzeit feiern“ – Musikkurs, sondern eher in so einen Heavy Metal Musikkurs. Da kann man sich ja auch austoben. Jetzt muss ich nur noch einen finden. Hat jemand Vorschläge für Berlin?
Tags: Erziehung
5 Comments
Hey Lucie,
Paul ist bereits seit seinem zweiten Lebensjahr in einem Turnverein. Das ist immer zusammen mit den Müttern und alles wird recht locker gesehen. Also auch, wenn die Kinder gerade nebenher ihr eigenes Spiel durchziehen.
Seit zwei Wochen ist Paul nun vier Jahre alt und geht auch zusätzlich zu Fußball (Bambinis). Er ist dort der jüngste, hat aber Spass an der Sache.
Manchmal können 1-2 Monate abwarten entscheidend sein 😉 .
Herzliche Grüße,
Sonja
Liebste Lucie,
jetzt ist mir der wundervolle Sam noch sympathischer (wenn es da überhaupt noch eine Steigerung geben kann 😉 )!
Ich kenne das nur zu gut von mir, denn bis ich 6 war, bin ich meiner Mama nicht vom Rockzipfel gewichen, wenn es um „Kinderbespaßung“ ging. Meine arme Mama war die einzigste Mama, die immer auf Kindergeburtstagen sitzen musste, da ich sonst einen 3-stündigen Heulkrampf bekommen habe. Auch die Musikschule und das Ballet wurden vorzeitig abgebrochen, da ich mich aufgeführt habe, wie ein ausgesetztes Kind…
Das alles hat aber, zum Glück für meine Mama (ich hätte mich glaube ich zur Adoption frei gegeben an ihrer Stelle) aufgehört, als ich in die Schule kam. Warum auch immer…
Darum: es gibt Hoffnung für Sam! Und wenn er jetzt noch nicht will, dann ist er einfach noch nicht so weit 😉 (Immer diese Ratschläge von kinderlosen Neunmalklugen 😉 )
Hab einen wundervollen Tag!
Liselotte 😉
Hey Liebes,
Nicht entmutigen lassen.
Wir versuchen es immer wieder… Es sind oft die Kinder mit viel Fantasie und vor allem Bewegungsdrang denen das schwer fällt.
Wir haben gestern einen Schwimmkurs besucht, den Nilo dann auch bei Gefallen ohne mich besucht (hätte) und nebenbei endlich schwimmen lernt, was mich sehr beruhigen würde (Denn wir beide bekommen das ohne Hilfe nicht hin ;)) Er hatte auch Spaß, aber seine Aufmerksamkeit lies immer schnell nach, am liebsten wollte er aus der Reihe tanzen, so endete die Stunde damit dass man mir geraten hat einfach noch zu warten. Und viele Dinge beginnen eben erst mit 5 oder 6 Jahren, ja auch nicht ganz ohne Grund.
Also nicht entmutigen lassen! Und es weiterhin probieren, ihm Angebote machen. Auch Sam wird etwas finden wofür er brennt, ausser Mamas Schoss natürlich und die Freiheit von Spielen ohne Terminen nach Lust und Laune.
Wir gehen jetzt einfach so schwimmen und probieren das weiter und verabreden uns dabei eben mit anderen, bedeutet aber auch wir können den Termin flexibel halten. Und probieren alle Dinge wie Schwimmkurs, Turnverein, Musik etc. dann einfach in ein paar Monaten nochmal.
Drück Sam von mir :*
Liebe Lucie, ich kann mich da nur anschließen. Det wirt!
Vielleicht solltest du etwas machen, was dir Spaß macht – nein, keine Nagellacke im KaDeWe ausprobieren – was mit Bewegung zu tun hat und ihn mitnehmen. Dann wird er sich austoben, du auch und danach seid ihr bei Kakao und xy beide glücklich.
Ich war auch so ein Rockzipfelkind und habe wohl gespürt, dass da etwas von mir erwartet wird, dem ich nicht entsprechen will.
Und PS: Diese Kurse sind auch nur 1 Stunde pro Woche, was machen mit den verbleibenden 1466, oder sind es weniger?
Herzlich von Agneta – det wirt!
PS: Habe mir gerade die neue Freundin gekauft…cool! Mit Leseprobe von dir. Ich bin restlos begeistert.
Weiter so, ich freue mich auf die Lesung mit dir – bin sooo gespannt.
Herzlichen Glückwunsch und weiter so
Agneta