„Mama, I need to kotz!“, verkündet Sam. Wir schlängeln uns seit einer halben Stunde die Serpentinen auf dem Weg zu den Teeplantagen im Hochland von Kandy hoch. Aber es sind nicht nur die Serpentinen daran schuld, es ist vor allem der Fahrstil des Fahrers bzw. der Verkehr. Die Straße ist einspurig und man kann immer nur bis zur nächsten Kurve sehen, aber sie wird drei- bis vierspurig genutzt. Einmal stehen wir einem Lastwagen, zwei Tuk-Tuks und einem Motorrad mit vollzähliger Großfamilie darauf gegenüber. Das Baby ist ca. 6 Monate alt und trägt zur Sicherheit eine Wollmütze. Die Fahrer sind alle entspannt, bremsen, lächeln sich zu und wackeln mit dem Kopf. Ich mache Atemübungen. Sam kotzt in eine Tüte. Marc sagt schon lange kein Wort mehr.
Nach unserem Frühstück in Pinnawala schlug Sunil uns vor, noch den Botanischen Garten und die Teefabrik Geragama zu besichtigen. Letztere sei nur 5 km entfernt, man bräuchte ca. 30 Minuten für die Strecke. Wir entschließen uns für die Teefabrik, mal sehen ob wir dann noch Muße für den Botanischen Garten haben. Die Fahrt zur Teefabrik dauert im Endeffekt eine geschlagene Stunde. Und Sam muss sich bis zu unserem Ziel noch zweimal „hergeben“.
„Mmmh, it smells lecker hier, Mama“, sagt Sam, als wir endlich die Anlage erreicht haben und die Fabrik Geragama betreten, „wie olive oil!“ Und tatsächlich hat der Geruch etwas von ganz frisch gepresstem Olivenöl. Die Teefabrik gibt es bereits seit weit über 100 Jahren. 4000 Teepflückerinnen arbeiten hier. Eine entzückende Frau in einem wunderschönen Sari führt uns durch die Fabrik und erklärt uns in unglaublich gutem Englisch wie das Teeblatt eigentlich zu Tee wird: Vom Trocknen, über das Fermentieren und dass manche Blätter einfach nur getrocknet werden. Es arbeiten hauptsächlich Frauen hier. Die Maschinen zum Fermentieren sind ebenfalls 100 Jahre alt. Die Maschinen strahlen so eine irre Hitze aus, dass wir es nicht länger als 2 Minuten aushalten, in ihrer Nähe zu stehen. „The shifts are only 4 hours long, it is too hot to work longer“, wird uns erklärt. Ich würde keine Vierstundenschicht hier aushalten. Und ich vermute auch, dass weder der TÜV noch Verdi ihren Segen für diese Fabrik geben würden.
Zum Abschluss kriegen wir noch schwarzen Tee serviert, der unfassbar köstlich ist und so mild schmeckt, dass Sam gleich zwei Tassen trinkt. Aber so erlebnisreich und sinnlich unser Besuch ist, auch hier komme ich nicht um den Gedanken herum, dass andere sehr hart arbeiten müssen, damit ich gemütlich köstlichen Tee trinken kann.
Den Botanischen Garten sparen wir uns. Der Tag ist schon lang genug gewesen. Und bisher hat Sam super durchgehalten. Auf dem Rückweg halten wir noch an den eigentlichen Teeplantagen. Zwei Teepflückerinnen kommen sofort auf uns zu und zeigen uns die Teesträucher. Sie bedrängen uns und wollen Geld dafür. Wir fühlen uns unwohl in unserer Haut. Während wir zurück in unser klimatisiertes Auto flüchten, winken die beiden uns zum Abschied hinterher.
Die Rückfahrt nach Colombo dauert dreieinhalb Stunden. Sam schläft fast die ganze Fahrt durch. Und wieder durchqueren wir unzählige Städte und glauben uns immer in einem Vorort von Colombo. Auf dem Weg machen wir Halt und kaufen eine Kokosnuss und dieses unglaublich leckere, 100 % kalorienarme Zucker – Gebäck, dessen für mich unaussprechlichen Namen ich leider wieder vergessen habe und sind froh, als wir um 19 Uhr wieder in Anjas Parklyn Lodge ankommen.
Wir sind zu erschöpft und voller widersprüchlicher Eindrücke, um uns jetzt noch ins Restaurant Ministry of Crab zu schleppen. Darum folgen wir lieber der Empfehlung von Anjas Mann und gehen ins Restaurant Upali’s, das bekannt ist für seine vorzügliche einheimische Küche. „Wie ist der Dresscode?“, fragen wir, bevor wir uns auf den Weg machen. „Relaxed, ich gehe immer in Shorts und Flip Flops“, erwidert Anjas Mann. „Und nehmt ab 22 Uhr lieber ein Taxi und kein Tuk-Tuk “, gibt er uns noch mit auf den Weg. „Hier in Colombo trinken die Menschen abends mehr als irgendwo sonst auf der Welt. Das ist sicherer!“
Das Essen ist tatsächlich köstlich und das Curry genau das Richtige nach einem solchen Tag. Um 23 Uhr liegen wir vollkommen erledigt und mit übervoller Festplatte in unserem Bett und fallen sofort in einen Tiefschlaf. Was ich von dem Besuch mitnehme? Große Bewunderung für die Kraft dieser Menschen. Und eine ordentliche Portion Demut und Dankbarkeit für die unglaubliche Fülle, die ich leben darf.
Meine Tipps:
Teafactory Geragama, 168 Negombo Road | Peliyagoda, Kandy, Sri Lanka, link zu Tripadvisor hier
Restaurant Upalis in Colombo 7 www.upalis.com
Taxi Kangaroo Colombo: www.2588588.com
Tags: Reisen Teeplantagen
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