„Und?“, frage ich einen Freund, den ich mit auf die IFA geschleppt hatte, „wie war’s?“ Denn während ich Termine hatte, war er durch die schier unendlichen Hallen geschlendert. Als Technikfreak hatte ich von ihm pure Euphorie erwartet. Aber die war nur stellenweise da, und sein Fazit lautete: „Irgendwie machen diese ganzen Erfindungen das Leben aber auch ganz schön voll.“ Und damit sprach er aus, was ich bei mir schon den ganzen Tag lang mitschwang.
Ich liebe neuen Schnickschnack. Ich bin total verführbar. Neue Technologien mit einem schönen Design – da kaufe ich sogar einen Rasierer zum Trimmen von Schnäuzern, obwohl wirklich niemand im Umkreis von 8 Km eine Verwendung dafür hat.
Es gibt natürlich auch Technologien, die einfach irre hilfreich sind. Das elektrische Fieberthermometer, zum Beispiel. Sensationell. Wenn ich mich daran erinnere, was für ein Alptraum das Fiebermessen in meiner Kindheit war. Und auch auf der Messe gab es natürlich Neuheiten, die das Leben leichter machen. Zum Beispiel den Mixer, der mit einer App verbunden ist und dem Gerät mitteilt, was für Obst oder Gemüse in welcher Menge für den Supersmoothie rein muss. Befüllen muss man es noch selbst, aber die integrierte Waage verrät einem, ob man richtig liegt. Waage, Mixer, Rezeptbetreuer in einem! I love it.
Und dann gibt es Dinge, bei denen man sich fragt, ob man nicht lieber die Ursachen für diese Erfindungen eliminiert, als die Ursachen noch mit einer Erfindung zu unterstützen. Eine App zum Beispiel, die einen zu einer elektronischen Zahnbürste verbindet (der Teil ist super), mit der man aber auch Fragen an den Zahnarzt stellen kann. Das geht von kosmetischen Fragen wie „Bin ich ein guter Kandidat fürs Zähnebleichen?“ bis hin zu medizinischen Fragen.
In Amerika ein Renner. Ist ja auch klar. Denn die Krankenversicherungen sind sauteuer, und ohne Versicherung überlegt sich der Hauptteil der amerikanischen Bevölkerung, ob der Zahnarztbesuch jetzt nötig ist oder man doch eher das Auto repariert. Und so praktisch das ist, mal schnell zuhause ein Zahn- Selfie zu machen und es per App an einen lizensierten Zahnarzt zu mailen, ploppt bei mir unweigerlich die Frage auf: Was machen wir da eigentlich? Wollen wir nicht eher diesem maroden Gesundheitssystem an den Kragen gehen und nicht noch eine App dafür haben? Und auch die Zeitersparnis, die diese App mit sich bringt, macht ja hauptsächlich mehr Raum für „höher, schneller, weiter.“
Ich bin sehr nachdenklich an den noch größeren, noch besseren Fernsehern, die noch kontrastreichere Bilder machen, vorbeigelaufen. Die ich natürlich auch gerne hätte. Und ja, die neuen Soundboxen sind ein Klangvergnügen.
Aber als ich dann am Samstagfrüh beim Einkaufen an der Kasse im Supermarkt stand und den Slogan „Liebe braucht Nähe“ las, da dachte ich: „Yep. So sieht es aus.“
Ich möchte nicht mit meinem krassen geilen Fernseher und meinem virtuellen Zahnarzt in der Zahnbürste allein auf der Couch sitzen, die vielleicht in Zukunft auch als Badewanne mit Massagefunktion fungieren kann. Ehrlich gesagt gehe ich lieber zum Zahnarzt, ärgere mich viellicht über die Wartezeit, kriege eins auf den Deckel, weil ich trotz super Zahnbürste falsch geputzt habe, unterhalte mich mit ihm über den letzten Urlaub und staube vielleicht noch einen neuen Restauranttipp ab. Because that’s life! Zum anfassen. Mit Nebenwirkungen.
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Haha, so gehts mir auch. Auf den ersten Blick sind die neuen blinkenden coolen Teile gut, doch dann kommt schnell die Frage hoch ‚und wo ist mei gegenüber, das wir-Gefühl dabei?‘
Wie überall gilt auch hier, die Mischung macht es… LG