„Du bist jetzt 10 Jahre alt“, verkünde ich mit zitternder Stimme und muss mich wirklich zusammenreißen, nicht vor Rührung loszuheulen. Mein Sohn nickt, platzt fast vor Stolz und antwortet: „Ja, Mama, endlich bin ich eine Zahl und keine Ziffer mehr! Darauf habe ich 10 Jahre gewartet!“ (Für alle, die jetzt auch kurz stutzen so wie ich es getan habe: 0 – 9 sind Ziffern, weil sie einstellig sind, erst zweistellig werden sie zur Zahl, also ist 10 sowas von eine Zahl.)
Vor Zehn Jahren fing alles an…
Vor 10 Jahren ging es mit geplatzter Fruchtblase in der 35. SSW ins Krankenhaus und ein paar Stunden später kam mein Sohn mit einem Notkaiserschnitt zur Welt. Vor Zehn Jahren. Eine Dekade. Unfassbar. Ich denke zurück an schlaflose Nächte mit Zahnen und Koliken und an Nächte, in denen ich nichts anderes wollte als einfach nur schlafen. Allein in meinem Bett. Solange ich wollte. Ohne einen Fuß in Gesicht oder Bauch. Mit einer Decke, die nur mir gehörte. Und jetzt? Mein Sohn war ein großer Verfechter des Familienbettes. Das eigene Bett war super, um tagsüber mit Freunden darauf zu sitzen oder es großzügig an Gäste weiterzugeben. Die dramatischen Szenen, die sich zuhause abspielten, wenn ich ganz vorsichtig mal anfragte, ob er nicht vielleicht doch mal bei sich schlafen wollen würde, sind kaum beschreibbar. Ich fühlte mich, als ob ich einen Welpen bei minus 25 Grad allein im finsteren Wald ohne Nahrung aussetze.
„Irgendwann wird er von allein ausziehen“, beruhigte mich mein Kinderarzt immer. Mein Nicken wurde immer skeptischer. Aber man sollte auf erfahrene Kinderärzte hören. Ein paar Tage vor seinem 10. Geburtstag sagte er dann: „Weißt du, Mama, ab und zu mal neben dir zu schlafen ist ja ganz schön, aber allein in meinem Bett zu schlafen, ist einfach am besten.” Das saß. Absurd, oder? Ich wusste nicht, ob ich juchzend den Kinderarzt anrufen sollte, um ihm von dem Meilenstein zu erzählen. Oder heulen sollte, weil eine Ära vorbei ist.
Bin ich jetzt Teenie Mutter?
„Jetzt habe ich einen Teenie“, heule ich meiner Freundin vor. Aber die belehrt mich lächelnd und sagt: „Nee, offiziell ist man erst ab 13 Jahren ein Teenager. Jetzt ist die Vorpubertät. Zum Üben. Du wirst sehen, das wird spannend.” Ihr Wort in Gottes Ohr.
Und was mache ich jetzt? Schnell noch ein zweites Kind, um noch kleines Gemüse um sich zu haben? Um die Pubertät des ersten besser auszuhalten? Um Windeln zu schleppen und Kitaplätze zu suchen? Um irgendwie noch dabei zu sein? Ich habe mich selten so seltsam alt gefühlt. Kinder sollen einen doch jung halten, habe ich irgendwo mal gelesen.
Als ich letzte Woche zu einem Abendtermin musste, da flüsterte mir mein Sohn zu: „Mama, können wir ab heute nicht mehr Babysitterin sagen, sondern Aufpasserin? Ich fahre jetzt ja auch schon allein Bus, da passt eine Babysitterin wirklich nicht mehr zu mir.”
Amen.
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