Das ist ein Originalzitat. Von meinem Sohn. 10 Jahre alt. Wir standen vor dem Fußballplatz um die Ecke. Er stieg gerade aus dem Auto aus. Nach dem Fußballspielen wollten sie zu seinem Freund (der direkt neben dem Platz wohnt) und die Eltern wollten die beiden dann zu einer Geburtstagsfeier bringen. „Ey, Mama, du musst nicht alles wissen“, war eine direkte Antwort auf mein Anliegen: „… und wenn ihr dann zum Geburtstag losfahrt, dann sag mir nochmal Bescheid, ja? Und wenn ihr dann bei der Party seid, schickst du mir noch ‚ne Whatsapp… und wenn…“ Da kam ich nicht weiter.
Glucke? Yes!
Ich befürworte aus tiefster Überzeugung, dass Kinder ihre Freiheit brauchen. Dass sie ihre Erfahrungen machen müssen, und dass man sie leider nicht in Watte packen und schockgefrieren kann bis an ihr Lebensende. Ich weiß, dass diese kleinen Schritte in die Selbstständigkeit das A&O sind. Ich weiß, dass ich ihm null Komma null Gefallen damit tue, wenn ich über ihn wache wie eine Glucke. Ich weiß das alles und noch so viel mehr, dass ich bestimmt den besten Ratgeber des Jahrtausends schreiben könnte.
Aber aus tiefstem Herzen möchte ich natürlich genau das Gegenteil tun.
Da möchte ich wie 007 hinten ihm herschleichen. Ich möchte ihm am liebsten – wie bei unseren Katzen – einen Chips einpflanzen, damit ich ihn immer finden kann. Ich möchte seine Umgebung mit Bodyguards pflastern, ich möchte seine Lehrer casten und seine Freunde vortanzen und noch den Background der Familien von Interpol checken lassen. Ich möchte ihn für immer und ewig beschützen und über ihn wie eine Löwenmama über ihr Kleines wachen.
Das Paradox des Mutterseins
Und dann schaue ich auf mein Leben. Und meine Kindheit. Die manchmal traumhaft war und manchmal furchtbar. Die Erfahrungen mit sich brachte, von denen ich heute noch zehre, und Erfahrungen mit sich brachte, die auch heute noch schmerzen. Und ich weiß, dass es diese Kombination im Leben ist, die einen wachsen lässt. Ich weiß, dass uns alle leider die unschönen Erfahrungen mehr formen und wachsen lassen als das konstante Paradies. Alles in einem Rahmen. Nur werde ich nicht verhindern können, dass sich mein Sohn vielleicht mal verliebt. Und ihn auch vor der hässlichen Seite bewahren können, das die Gegenseite sich nicht zurück verliebt. Ich werde ihm nicht ersparen können, dass er mal nicht zu einem Geburtstag eingeladen wird. Ich kann so gut wie möglich versuchen, ihn aus ganz schlimmen Ecken rauszuhalten. Und ihm alles mitgeben, damit er in doofen Situationen die richtige Entscheidung trifft. Aber ich muss auch erkennen, dass ich das Leben nur ganz bedingt unter Kontrolle habe. Und dass das Leben manchmal auch unfair und gemein ist.
Atmen. Atmen. Atmen.
Und, während mein Sohn die Augen verdreht, weil seine Helikoptermutter mal wieder nicht die Schnüss halten kann, atme ich einmal aus. Und wieder ein. Und aus. Und versuche darauf zu vertrauen, dass mein Sohn schlau ist. Und wachsam. Und ganz genau weiß, wo seine Grenzen sind. Dass ich ihm vertrauen kann, wenn er zwei Häuserblocks weiter geht. Alleine. Die Eltern des Freundes werden die Kinder bestimmt sicher zum Geburtstag bringen. Und ich habe ihm so viel mitgegeben, dass er auf seinen kleinen Alleingängen weiß, was er tut. Und während ich zuschaue, wie mein Sohn zum Fußballplatz geht, plane ich die Landung meines Helikopters. Eine Pause tut dem bestimmt auch mal ganz gut.
2 Comments
Super geschrieben, Lucie! Ich kenne das Gefühl ganz genau (7jährige Zwillingsjungs). Obwohl ich sonst nicht die Übermutter bin, fällt es mir trotzdem schwer sie loszulassen wenn es um ihre wachsende Selbstständigkeit geht und dass sie ihre eigenen Erfahrungen machen müssen.
Schön, wieder von dir zu lesen! <3
Liebste Grüße,
Carina
Liebe Carina, DANKE! Ja, ich glaube es ist auch einfach normal, das man seien Brut beschützen will…. Aber immer schön zu lesen, das es nicht nur mir so geht! Liebste Grüße!