Ich stehe vor einem Eierregal. Es ist leer. Kein einziges Ei ist weit und breit zu sehen. Und nicht nur hier. Ich bin schon im dritten Geschäft. Kaum zu glauben.
Sind die leeren Eierregale schlimm? Nein. Ich registriere nur neugierig meine eigene Reaktion.
Wir haben Ostersamstag. Ich wollte noch Apfelkuchen backen, und morgen früh soll es Rühreier geben. Ach, und ein paar Eier wollte ich schnell noch färben. Tja, das wird wohl alles nichts.
Alles haben und zwar jetzt!
Das Gefühl, nicht alles sofort haben zu können, ist neu. Ich bin mit allem groß geworden, was man sich wünschen kann. In der Selbstverständlichkeit des Überflusses. Es gab NIE etwas NICHT. Die einzige Rationierung fand in Person meiner Eltern oder meiner Großmutter statt und hieß Süßigkeitverbot. Ich glaube, das Schlimmste was meine Selbstverständlichkeit des Überflusses jemals erleben musste, war in der Eisdiele. Als das Mädchen vor mir die letzte Portion Vanilleeis bestellte. Das war ein krasser Dämpfer. Aber sonst?
„Warum kaufen die alle Hamster?“
Ich hatte mich nicht an den Hamsterkäufen beteiligt. „Warum kaufen denn alle Hamster?“, fragte mich meine kleine Nichte. Mich tangierte es null, eine Woche mal ohne Nudeln auszukommen. Es schien alles so weit weg, hatte nichts mit mir zu tun. Ich bin – unter anderem – in Frankreich groß geworden. Da hat man Bidets, in denen man sich nach dem Toilettengang wäscht. Zugegeben, so etwas haben wir hier nicht. Aber ein Waschbecken und Seife gibt es. Wir würden es also auch ohne Klopapier schaffen.
Und dann das leere Eierregal
Aber dieses leere Eierregal und dieser Einkauf am Ostersamstag haben mich gekriegt. Nicht im Sinne von Panik, Kreischalarm. Sondern, weil ich vielleicht ein Spätzünder bin und erst jetzt, in der 4. Corona-Woche realisiert habe, dass die Uhren anders ticken. Der Einkauf, der normalerweise maximal 40 Minuten dauert, kostete mich zweieinhalb Stunden. Lange Schlangen vor den Geschäften, zum Teil gähnend leere Regale, so das man im nächsten Laden sein Glück versuchen musste. Alles nicht dramatisch. Nur dauert alles länger. In manchen Geschäften geht man gemütlich durch leere Gänge, in anderen herrscht ein solches Gedränge, dass man sich fragt, ob die schon mal was von der Abstandsregel gehört haben. Die neue Höflichkeit ist es, sich aus dem Weg zu gehen, einen Bogen zu machen.
Corona Entschleunigung
Und auch wenn das neue Einkaufen mehr Zeit in Anspruch nimmt, es entschleunigt. Okay, zum Glück haben wir Smartphones. Sonst würden wir in der Schlange vor dem Laden stehen und vielleicht sogar noch meditieren oder ins Abstandsgespräch kommen? Aber auch so hat das Leben einen neuen Rhythmus. Und wenn ich den Blick nicht auf den Schmerz und den Verlust lenke, dann blinken auch helle Seiten auf.
Ich hatte vor Corona einen Speed, der mich jeden Abend atemlos zurückließ. Und ich fand die Bremse nicht. Ich hatte einen Reiseplan, der de facto gar nicht zu schaffen war. Aber ich ignorierte es. Jetzt sitze ich zuhause und ja, Homeschooling und Homeworking zu vereinen ist hart. Es wiederholt aber nur das bereits bekannte Wissen, dass wir nicht alles auf einmal sein können.
Ich lerne jetzt Seiten meines Sohnes kennen, die mir bisher verborgen waren. Wie er lernt, was seine Fähigkeiten sind. Wir sind jeden Tag mindestens 2 Stunden im Wald, in der Natur. Wer hätte gedacht, dass ich mal so viel Zeit im Wald verbringe?
Das Glück in Eierform
Im vierten Laden stehe ich dann vor einem Eierregal, das tatsächlich noch ein paar Eier beherbergt. Ich habe mich selten so über den Anblick von grauen Kartons gefreut. Das wird das leckerste Rührei der Welt, der beste Apfelkuchen, den es je gab. Ich hoffe, dass ich mir dieses Gefühl erhalten kann. Denn Dankbarkeit, über die man nicht nur redet, sondern die man auch spürt, ist unschlagbar.
Frohe Ostern!
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