„Mama, am nächsten Samstag ist Spendenlauf!“, erzählt mir Sam aufgeregt nach der Schule, „und wir müssen uns Paten suchen, die uns für jede Runde was geben, und dann spenden wir das Geld!“
„Okay“, sage ich, klar, da machen wir mit! „Für wen oder was wird denn gelaufen?“ „Für die neuen Klos!“, sagt Sam. Ich verschlucke mich fast an dem Eis, das wir gerade essen. „Bitte was?“, frage ich hustend. „Für die Kloooooos in der Schule, Mama! Bist du taub?“
Nee, taub bin ich nicht, aber konsterniert. Tatsächlich gibt es ein Toilettenproblem in der Schule. Oder besser gesagt in ALLEN Berliner Schulen. Das diskutieren – und riechen wir schon seit Wochen. Ich benutze die Toiletten eigentlich nie. Neulich ging es aber nicht anders, und ich betrat ziemlich unbesonnen den Ort des Geschehens, um gegen eine solche Stinkewand zu laufen, dass mir der Atem stockte. Blöderweise musste ich irre dringend. Ich ging also einen Schritt vor die Tür, nahm einen tiefen Atemzug der Luft im Flur (und nein, die roch auch nicht nach Bergsee) und erledigte alles so schnell wie möglich.
„Irgendwas ist mit den Toiletten noch schlimmer als sonst“, gab ich artig eine Rückmeldung an Sams Erzieherin. Sie zuckte nur mit den Schultern und nickte. Sam wiederum ergänzte hilfreich: „Mama, die Jungsklos sind noch schlimmer.“ Und tatsächlich, als ich die Tür nur einen kleinen Spalt zu den Jungsklos öffnete, war ich mir sicher, ich könnte erblinden oder mindestens meinen Geruchssinn auf Lebenszeit ernsthaft schädigen.
„Aber wir haben doch so oft mit dem Direktor gesprochen!“, sagte ich zur Erzieherin, „was ist denn mit der neuen Putzfirma?“ „Verschlimmbessert nur“, lautete ihre Antwort.
Und jetzt wird also für neue Toiletten gelaufen. Ich finde es ja grundsätzlich pädagogisch sehr wertvoll, wenn man Kinder früh in Abläufe einbindet und sie mit in die Verantwortung nimmt. Aber ein Spendenlauf für neue Schultoiletten? Sind Klos nicht eigentlich eine Thematik, über die wir nicht so ausführlich Worte verlieren müssten? Wir leben doch in Deutschland einem der reichsten Länder der Welt? Und doch haben wir ein ernstzunehmendes Schulklo – Problem. Wenn es um die Anschaffung von neuen Computern ging, würde ich auch schon mit den Augen rollen, mir aber auch die Laufschuhe anziehen und denken „Was solls?“
Ich erinnere mich noch an die Spendenläufe in meiner Schulzeit. Wir sind damals für die Kinder in Afrika gelaufen. Sollte es nicht das Normalste von der Welt sein, dass alle Toiletten in den Schulen begehbar und benutzbar sind, ohne dabei einen Anzug wie Dustin Hoffman in „Outbreak“ tragen zu müssen, als er ECHT gefährliche Killerviren jagte? Ich wusste ja, dass der Job als Elternsprecherin unglamourös sein würde, aber so tief zu sinken, hatte ich tatsächlich nicht erwartet.
Sam ist hingegen vollkommen ungerührt und sagt: „Wir versuchen jetzt alle möglichst wenig zu trinken während der Schule.“ Ich möchte weinen. Kann man das Schulamt wegen frühkindlicher Schädigung der Harnwege verklagen? Oder sollte ich eine Petition starten, dass man die Toiletten vom Schönefelder Flughafen an die öffentlichen Schulen verteilt? Die braucht da doch eh keiner.
2 Comments
Es ist wirklich eine unselige Mischung aus Versagen der Kultusministerien (in anderen Bundesländern sieht es leider nicht besser aus, sogar im „reichen“ Baden-Württemberg) und einer zunehmenden Verwahrlosung mancher Schüler. Wenn Kinder zu Hause nicht beigebracht bekommen, wie man sich im öffentlichen Raum bewegt und z. B. in der Schule einfache Regeln der Hygiene einhält, dann gleichen die Bemühungen einer Schule zur Säuberung sanitärer Anlagen einem Kampf gegen Windmühlen.
Leider zeigt sich zunehmend, dass Politiker zwar gerne von der Digitalisierung schwadronieren, aber schon an grundlegenden Dingen wie benutzbaren Toiletten scheitern. Sie haben einfach kein Interesse daran. Bei der Bildung spart es sich am besten, weil sich keiner wehrt. Wo ist eine deutlich wahrnehmbare Elternlobby, die bei Schulämtern und Kultusbehörden drängend Lösungen einfordert?
Das Thema Toiletten und deren Zustände hat mich mein ganzes Schulleben begleitet. Ich bin selten gerne auf Schulklos gegangen. Im Studium gab es Besserung. Und jetzt im Job, eigentlich sind es ordentliche Toiletten. Aber alle paar WOCHEN muss eine Firma kommen und die Rohre frei machen, da es sonst furchtbar stinkt und man schon auf dem Flur vor den Klos nicht mehr atmen möchte.
Natürlich ist es oft der Umgang mit den sanitären Einrichtungen und dadurch eine Ursache für die Probleme. Aber meist sind die Rohre so furchtbar alt und zugesetzt, das nichts anderes als schlechte Luft entstehen kann.
Sehr Schade das die Schüler mit einem Spendenlauf dies ausgleichen müssen. Ich kenne Spendenläufe auch nur für Hilfsorganisationen aber nicht für einen selber.