Für alle, die letzte Woche das Internet geschwänzt haben: Christine vom Blog Mama arbeitet hat eine Petition zur Abschaffung der Bundesjugendspiele gestartet und damit hohe Wellen geschlagen. Aus ihrer Sicht geht ein Teil der Kinder schon mit Magenschmerzen hin und bei der Siegerehrung kriegen sie noch den letzten Tritt verpasst. Gibt es das tatsächlich? Auf jeden Fall.
Auch wenn ich persönlich die Bundesjugendspiele weder toll noch scheiße fand, sondern halt komplikationsfrei mitlief, sprang oder warf, erinnere ich mich noch gut an diejenigen, für die der alljährliche Spießrutenlauf bei den Bundesjugendspielen das war was die Zeugen Jehovas seit Jahren voraussagen: Der Weltuntergang.
Und obwohl ich zunächst dachte „Yeah! Sehr gut!“, hat mich auch etwas davon abgehalten. Warum ich es nicht tat, hat Andrea Harmonika in ihrem Text „Arschbombe“ auf den Punkt gebracht. Unbedingt hier nachlesen. (Pflichtlektüre! Es gibt auch viel zu lachen.)
Ich gebe Andrea zu 100 % Recht, dass es keinen Sinn macht, den Wettkampf per se abzuschaffen, sondern lieber die, die ihn so bescheuert bewerten und den Spaß am Sich-Messen ausmerzen. Aber ehrlich gesagt glaube ich, dass das nicht nur für die Bundesjugendspiele gilt, sondern für so viele Aspekte im Leben. Oder etwa das ganze Leben?
Schule zum Beispiel. Noten abschaffen? Oder gleich die Schule abschaffen? Was wollen wir denn noch alles abschaffen, ohne dass eigentliche Problem am Schopf zu packen?
Ich hatte Geschichte Leistungskurs. Für jemanden wie mich, der sich keine einzige Jahreszahl merken kann, ist das durchaus ein Wagnis. Ich muss sogar für mein eigenes Geburtsjahr in meinen Pass schauen. Fragt mich nicht, warum ich gerade dieses Fach gewählt habe. Ich habe es verdrängt.
Die erste Geschichtsklausur kam zurück und es stand folgendes darunter:
„Liebe Lucie, du hast es tatsächlich geschafft, nicht eine einzige Jahreszahl korrekt einzufügen. Aber deine Schlussfolgerungen und die Erfassung der Zusammenhänge waren großartig. Darum bekommst du eine 2. Das nächste Mal wäre es schön, wenn du wenigsten im richtigen Jahrhundert unterwegs bist.“
Was für ein Ansporn! Nicht, dass ich beim nächsten alle Jahreszahlen richtig hatte (Ich glaube aber 3 waren korrekt! Also aus dem richtigen Jahrhundert.), aber hier hatte mich jemand mit meinen Talenten gesehen. Und er hat nicht alle Schüler über einen Kamm geschert, sondern jeder hatte seinen persönlichen Kamm.
Ich würde so gerne Sam immer und überall in Watte packen und ihn vor allem schützen. Aber ich kann es nicht. Es gibt Hürden, die lassen ihn wachsen. Nicht wenn jemand mit der Peitsche daneben steht, aber wenn ihn jemand anspornt wie ein Cheerleader und es ihm zutraut. Und es gehört auch zum Leben und es ist eine wichtige Erfahrung, wenn mal etwas nicht klappt, wenn man nicht zu den Besten gehört. Nur der Umgang damit ist entscheidend.
Danke, Christine, für diesen guten Gedankenanstoß, den du mit deiner Petition bei mir angestoßen hast. Und danke Andrea, dass du mit deiner Arschbombe dein Kindheitstrauma abgelegt hast und damit so ein gutes Vorbild bist!
Und ihr? Wie seht ihr das?
3 Comments
Ich kann mich daran erinnern, daß ich die Bundesjugendspiele seinerzeit mitmachte, weil es auf dem Programm stand. Weder freute ich mich besonders darauf, noch wollte ich sie unbedingt meiden. Es gab die, die stets mit Ehrenurkunden glänzten, und die, die nie einen bekamen. Niemand regte sich auf. Gerade erst war ich einen Vormittag lang bei den Bundesjugendspielen der Söhne dabei: der eine eine Sportskanone, der andere eher der „Dichter und Denker“. Dazwischen unzählige andere Spitzensportler und weniger Ambitionierte. Gerade bei denen, die als Letzte durch die Zielgerade kamen, waren die Lehrer und alle Anwesenden an vorderster Front und feuerten mit Inbrunst an. Ich sah Kinder mit hochroten Köpfen, aber glücklich und stolz, ankommen. Es gab nichts und keinen einzigen Fall, wo ich hätte denken können: „Ach, der Arme/die Ärmste“. Nichts und Niemand wurde wegen seiner weniger guten sportlichen Leistungen vorgeführt, oder schief angeguckt. Alle schienen glücklich und haben es sichtlich genossen, in dieser großen Gemeinschaft dabei sein zu können.
Ja, es hängt einfach absoluten an der Umsetzung! Danke für Deinen Kommentar,
Herzlich Lucie
Vielen Dank für die lieben Worte.
<3
*geht sich Körpergröße im Personalausweis korrigieren*