„Entweder du stellst dich selbst an oder es gibt eben keine Pommes!“, sagte die Mama sichtlich genervt zu ihrem Sohn. Der war vielleicht 11 oder 12 Jahre alt und schon zu cool für diese Welt. Er hat keinen Bock in der Schlange zu stehen und auf seine Pommes zu warten, wollte viel lieber mit seinem Bruder an der Promenade abhängen, sich gegen die Surfbretter lehnen und die Mädchenclique beobachten. Ich stehe an unserer Lieblingsburgerbude Twister auf Sylt in der langen Schlange. Er schlurft betont langsam und extrem gelangweilt zu ihr in die Reihe.
Ich höre gebannt zu. Nicht etwa, weil mich die Situation schockt, berührt, verwirrt, erschüttert. Sondern aus Erleichterung.
Sie sieht in meine Richtung, unsere Blicke treffen sich. Und bevor sie sich dem Gefühl hingeben kann, wie unangenehm es ihr ist, dass eine Fremde ihren Wortwechsel mitbekommen hat, sage ich: „Boah, tut das gut zu sehen, dass es überall das Gleiche ist!“ Sie nickt erleichtert und rollt lächelnd mit den Augen.
Tatsächlich hat mich dieser kurze Moment extrem erleichtert. Mein Sohn hat mit seinen 10 Jahren zurzeit manchmal Teenieallüren vom Feinsten – es wird gezickt und gemotzt. Und was mache ich? An guten Tagen lasse ich es an mir abperlen oder schaffe es, mit Humor die Situation zu retten.
Aber diese Tage sind im Moment leider nicht an der Überzahl.
Das heißt also, meistens motze ich zurück und frage mich: Was habe ich falsch gemacht? Bin ich zu nachgiebig? Zu nett? Zu unklar? Hätte ich ihn besser, strenger, klarer, detaillierter erziehen müssen? Ist sein schlechtes Benehmen mein Versagen? Bin ich die Einzige, die es nicht rafft? Die zu doof ist zum Erziehen? Zu inkonsequent? Arbeite ich zu viel? Nehme ich mir zu wenig Zeit? Ist die Trennung von seinem Vater schuld? Oder die Tatsache, dass er ein Einzelkind ist? Wo führt das hin? Wie wird das, wenn er älter ist? Oh Gott, kann der nicht ewig so ca. 6 Jahre alt bleiben?
Und dann steht man an der Frittenbude, kriegt den schnöden, unromantischen Alltag der anderen mit ihren heranwachsenden Kindern mit und denkt: „Puh. Okay. Es geht nicht nur mir so. Kinder auf ihrem Weg zu begleiten, ist eine Herausforderung. Aber es geht fast allen so. Bis auf die Wenigen – mir Unheimlichen – bei denen die Kinder seit Geburt an durchschlafen und dann einfach weiter bis zum Abitur pflegeleicht bleiben. Aber die sind die Ausnahme. Ansonsten ist alles normal.
Und mit der Erkenntnis habe ich dann zwei große Portionen Pommes mit extra viel Ketchup bestellt und sie mit meinem Sohn am Strand verspeist.
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