Ich hasse zelten. Schon seit immer. Zu meinem 20. Geburtstag haben sich meinen Freundinnen einen Scherz erlaubt und mir ein Zelt geschenkt. Und sie haben es mich dann aufbauen lassen, während sie sich vor Lachen kaum einkriegten. Zelten hat für mich die Romantik eines vollen Aschenbechers.
Am Wochenende waren wir auf einer großen Landparty eingeladen. Viele Menschen, nicht alle passten in das Haus des Gastgebers. Manche hatten sich in Hotels in der Nähe eingemietet, viele zelteten im Obstgarten.
„ICH WILL AUCH ZELTEN!!“, schrie Sam, als er hörte, dass das eine Option sei. Es war klar, das Sam und ich alleine auf das Fest gehen würden, das hieß also ganz klar: Wenn ich nicht mit ihm zelte, dann tut es keiner. „Also, wenn du deinen Sohn wirklich liebst, dann tust du ihm den Gefallen“, sagte mein Bruder Valentin süffisant und konnte sich das Lachen nicht verkneifen. Sam nickte nur. Scheiße. Ich saß fest. „Ich leihe dir auch unser Zelt!“, setzte mein Bruder noch einen drauf und fand sich selbst großartig.
Okay, denke ich. Eine Nacht. Das schaffe ich. Mein Sohn ist nun mal ein Wald- und Wiesenkind. Keine Ahnung von wem er das hat. Aber da Trump ja gerade dabei ist, unsere Welt zu zerstören, brauchen wir in der nächsten Generation Menschen wie Sam. Also, ist es ja gerade zu meine Pflicht seine Naturverbundenheit zu unterstützen. Auch wenn das für mich eine Nacht auf der unerbittlichen Isomatte heißt.
Die Party ist in voller Fahrt. Um 23 Uhr sind die Kinder langsam müde. Unser Zelt wurde netterweise von irgendjemandem aufgebaut.
„Komm, Sam“, sage ich, „lass uns mal schlafen gehen.“
„Wo schlafen wir?“, fragt er total übermüdet. Ach, es geht nichts über das Kurzeitgedächtnis von Kindern.
„Na, im Zelt!“, ist meine Antwort. Ich kann schon an seinem Gesichtsausdruck sehen, dass seine Zelt -Begeisterung proportional zur Müdigkeit abgenommen hat. „Okay“, mault er. Als wir davor stehen, rollen die ersten Tränen. „Mama, ich find das Zelt doof! Es ist dunkel und mir ist cold und ich will im Haus sleepen!“
Ja, ich auch! Nur, das Haus ist voll! Und ich verkneife mir zu sagen: „ICH wollte eh nie in diesem Scheißzelt schlafen!“ Ich bin ja die Erwachsene. „Ach, komm, das ist lustig“, versuche ich es, „wir kuscheln uns jetzt in unsere Schlafsäcke und erzählen uns Geschichten!“
„Nein!“, kreischt er jetzt 2 Oktaven höher, „wenn ein Wildschwein kommt! Und was wenn ich aufs Klo muss? Ich will nicht nachts draußen pinkeln! Und wenn es regnet! Und dann sind da Mücken!“
„JA, ich weiß!!!!“, möchte ich zurückkreischen, „glaubst du etwa ich habe Lust in diesen klammen Schlafsack zu kriechen??“
Aber ich kann mich ja zusammenreißen: „Sam, jetzt reiß dich zusammen! Du willst Tierretter werden. Da musst du auch mal draußen schlafen können!“
Dass es gewittern soll, wie ich noch eben auf meiner Iphone Wetter App gesehen habe, lasse ich aus. Wir kriechen in das Scheißzelt.
Ich mache es kurz: Um 1:23 schreit irgendeines der Kleinkinder aus einem Nachbarzelt für geschlagene 24 Minuten und weckt den gesamten Obstgarten. Vermutlich verjagt es aber auch die Wildschweine.
Um 4:35 donnert es so laut, dass Sam hochspringt und mir total verschlafen in 5 Sätzen die Gefahr von Blitzen erzählt und dass wir sterben werden, wenn wir nicht sofort ins Haus gehen. Ich habe in Bio immer geschlafen, aber das mit Blitzen nicht zu spaßen ist, erinnere ich.
Wir packen unsere Schlafsäcke und Sams Pokémon Karten (ganz wichtig!) und ziehen ins Haus um. Völlig durchnässt kommen wir dort an und finden auf einer 1,20 Meter Couch noch Platz. Und während ich jetzt schon Rücken habe, denke ich: „Nie wieder zelten!“ Aber die gute Nachricht ist: Sam ist mein Sohn! Trotz Wildhüter – Gen ist er genau so eine Luxusschnalle wie ich, wenn es bei Übernachtungen hart auf hart kommt.
10 Comments
Wegen solchen Geschichten lese ich hier so gerne!
Danke, liebe Hannah! Und wegen solchen Kommentaren schreibe ich hier so gerne! <3
Ich habe mich gerade weggeschmissen vor lachen. So klasse. Ich kann das so gut verstehen. Ich hasse Zelten auch. Und oh ja, wir waren oft zelten als ich noch ein Kind war. Sehr oft. Das hat jetzt dazu geführt, dass ich damit durch bin. Ich will das nicht mehr, ich kann dem nämlich auch nichts abgewinnen. Alles ist viel zu nah dran – Regen, Insekten, andere Leute. Keine Ahnun, warum ich mich vor zwei Jahren zu einem Wohnmobilurlaub habe überreden lassen. Das war genauso wie Zelten, auch wenn wir eine Radbreite über dem Rasen schliefen. Ich will ein festes Dach über dem Kopf, eine kuschelige Matratze unter meinem Hintern und zwischen mir und dem nächsten Nachbarn wenigstens eine Steinwand. Basta. 🙂
Liebe Gruße, Martamam
Liebe Martamam,
Hör mal, DANKE, das Du mir hiermit den Zahn ziehst das Wohnmobil auszuprobieren! Sam fing nämlich schon damit an und ich war kurz davor mich breitschlagen zulassen…. Mir geht es wie Dir: Kuschelige Matratze und gerne Steinwand zwischen mir und den Nachbarn! Egal wie nett die sind!
Vielleicht ist Kanada dann ja was fürs Wohnmobil für euch. Die Stellplätze sind im Wald und gefühlt so groß wie Fussballfelder 😜 Da merkste nix von Nachbarn. Und man kann die kanadischen Luxusdinger auch nicht mit nem 0815deutschenWohnmobil vergleichen.
Nur so falls Sam nochmal nen WildhütermittenindieNatur-Anfall kriegt 😉
War unser geilster und entspanntester Urlaub.
DAS hört sich wiederum super an! Danke, das wird meinem Sohn sehr gefallen und ich glaube mir auch!
Kanada ist im Wohnmobil tatsächlich großartig – wir waren damals im Zelt und mit Bären usw war ich nicht immer so entspannt… Für Neuseeland und Australien haben wir dann gleich einen kleinen Bus gemietet, hat auch den Vorteil dass man im Regen trockener bleibt, kochen kann und einen Kühlschrank hat.
Bei mir ist das genau anders: Meine Mutter hat zelten gehasst, ist nur geschminkt aus dem Haus und war eher das Luxux-Girlie. Ich dagegen? Schon als kleines Kind in den Kuhstall, ab 10 Jahren bei den Pfadfindern, schlafe gerne draußen, bin so gerne dreckig und mein Makeup ist glaube ich schon wieder abgelaufen und / oder eingetrocknet. Aus mir wird halt nie eine Dame und „Kind, woher hast DU das nur?“ ;o)
Hahahahaha! Ach, herrlich! Wie gut, das wir nicht alle gleich sind. Schönen Tag!
Hallo Lucie,
Köstlich, ich habe so gelacht!
Same here, nur dass das Kind nach wie vor begeistert ist. Und da der Mann zelten auch hasst und sagt, wenn ich meine, dass das zu Kindheitserlebnissen dazugehört, nur zu, er zeltet ganz bestimmt nicht.
Und so verbringe ich mit dem Kind einmal im Jahr in einem winzigen pinken Zweifrauzelt immer EINE Nacht auf dem Zeltplatz, einschließlich schlafen auf einer steinharten Baumwurzel, die sich in den Rücken durch die dünne Isomatte bohrt (Augen auf beim Zeltaufbau), Gewitter und ganz viel Angst und Restnacht im winzigen Kleinwagen, Ehestreit im Nachbarzelt inkl. Packen eines Rollkoffers und nächtlicher Abreise (mit Kiesknirschen durch die Rollen) und wieder Anreisen eine Stunde später, Treffpunkt der Dorfjugend am Zaun vor unserem Zelt um Mitternacht (Augen auf bei der Platzauswahl) und seeeehr interessanten Gespächen über die Welt und die Frauen.
Und jedes Jahr bin ich danach fix und alle und schwöre mir „Nie wieder“, bis das Kind im Frühling beim ersten Grillduft im Park sagt „weißt du noch, letztes Jahr, beim Zelten, als wir die Würstchen gegrillt haben und dann die Nachtwanderung“ …
Vielleicht wäre Wohnmobil und Kanada der Kompromiss, teste doch mal für uns.
Liebe Grüße,
Andrea
Liebe Andrea,
Großartig!! Die Baumwurzel und Dorfjugend ist mir erspart geblieben. Eins ist auf jeden Fall klar: Das Zelten bringt die besten Anekdoten. Wer hätte das gedacht?
Ich schaue mal, ob ich Kanada und Wohnmobil teste… ihr seid aber die ersten, die es erfahren!
Schönen Tag!
Lucie