„Ich würde jetzt echt gerne nach Hause!“, sage ich, nachdem ich bereits 30 Minuten auf dem Schulhof herumgelungert habe. Aber Sam will nicht. Er sitzt mit 7 anderen Kindern im Klettergerüst und findet es spitze.
„Nur noch 5 Minuten!!!“, brüllt er. „Komm schon, Mama!“. Er schlägt mir jetzt bereits zum 8. Mal „ Nur noch 5 Minuten“ vor. Ich bin hungrig, ich hab’ die Schnauze voll, ich will nur nach Hause.
„Nein“, sage ich, „ich zähle bis 10 und dann kommst du runter.“ Gott, klinge ich ätzend. Das ist ja total peinlich. Ich fange trotzdem an zu zählen. Sam zählt auf Englisch mit und äfft mich nach. Yep. Es läuft.
„Das ist doch Englisch“, sagt Levin, der in Sams Klasse ist, „ich kann Japanisch!“ und er zählt auf Japanisch mit.
„Ich kann Thai!“, brüllt Arun und gibt mir ebenfalls eine Kostprobe, während er sehr waghalsig auf dem Gerüst herumturnt.
„Ich sag dir mal, wie es auf Arabisch geht!“, erklärt mir Mohammad und fängt ebenfalls an zu zählen. „Ben kann Chinesisch!“, sagt Levin, der bereits fertig gezählt hat und animiert Ben, die Zahlenreihe auf Chinesisch zu wiederholen. Ich bin sprachlos und habe aufgehört zu zählen.
„Okay, hier sitzen 7 Kinder und sprechen 5 Sprachen!“, sage ich und werde sofort von Milath verbessert: „Stimmt nicht! Ich spreche Farsi und Sebastiano, der da oben hängt, kann Spanisch.“
„Okay, 7 Kinder sitzen hier im Klettergerüst und sprechen 7 Sprachen.“
„Stimmt nicht!“, verbessert mich Milath erneut, der kleine Klugscheißer. „Wir sprechen 8 Sprachen. Wir sprechen ja auch noch Deutsch!“
Touché.
Ich vergesse, wie platt ich bin. Ich bin jetzt nur noch platt vor Erstaunen über diese Sprachenvielfalt. Wie weit dieser Horizont der Kinder ist, alleine dadurch. Wie selbstverständlich und normal es ist, mit Sprachen aus der ganzen Welt aufzuwachsen. Das ist wie minikleine Reisen zu unternehmen. Ohne Flugzeug oder Zug. Ich setze mich auf die Bank und lasse die Jungs weiter im Gerüst hängen. Und höre ihnen zu, wie sie sich gegenseitig Worte in den verschiedenen Sprachen beibringen. Und während ich vor mich hin döse und lausche, stelle ich mir dabei vor, dass ich durch die ganze Welt reise.
3 Comments
Sehr schön.
Kulturelle Vielfalt bereichert so!
(Auch wenn einen das Andere manchmal an den Rand der Verzeiflung bringen kann: https://wordpress.com/read/feeds/66765513/posts/1485260500)
Das stimmt!
Wenn nur alle so wären wie die Kinder 🙂
Unserem kleinem ist sein Fidget Spinner in den Sand gefallen. Dreht sich nicht mehr. Es wurde nur noch geheult und nicht mehr gesprochen.