Sam ist in London ja an jede erdenkliche Art des Outfits und des Aussehens gewöhnt: Inder mit ungewöhnlicher Kopfbedeckung, Asiaten oder Verschleierte. Er findet das völlig normal, schließlich läuft er ja auch im Spiderman Outfit rum. Also, was soll sein?
Letzte Woche haben wir ausnahmsweise einen anderen Weg nach Hause genommen (ich wollte sehen, ob der süße Bikini-Shop noch Sale hat) und gehen an der islamischen Schule vorbei. Uns kommen sieben Frauen in schwarzen Burkas entgegen. Nur ihre Augen sind durch die Schlitze zu sehen. Sam hat schon häufig verschleierte Frauen gesehen, aber ich muss zugeben, in dieser Größenordnung ist das schon sehr imposant.
„Mama“, fragt er mich mit Blick auf die Frauen. „Wieso tragen die so costumes?“ Ich bin noch ganz bei meinem Ärger darüber, dass ich den Sale verpasst habe und antworte lapidar: „Das hat was mit ihrer Religion zu tun.“
Sam bleibt stehen und sieht mich an: „Was ist das? Religion?“
Ich komme sofort ins Schwitzen. Verflucht. Warum habe ich nicht behauptet, dass die sich als Darth Vader verkleidet haben? Wo fange ich jetzt an? Wie erkläre ich einem Vierjährigen Religion?
„Mmh,“ setze ich an, „also, das ist, also, mmh…“ Ganz heimlich hoffe ich, dass Sam sein Frage vergisst, aber er hakt nach: „Ja?“
„Also, es gibt Menschen, die glauben daran, dass jemand im Himmel ist und auf sie achtet. Wir nennen das Gott und andere nennen das Allah.“ Sam sieht mich gespannt an.
„Naja, und diese Frauen glauben an Allah und denken, dass Allah es sich wünscht, dass sie diese Gewänder tragen“, versuche ich den Tatbestand möglichst zu vereinfachen, wobei ich mir gar nicht sicher bin, ob das so stimmt. Wie war das noch mit Mohammed, dem Propheten? Was steht genau im Koran? Egal, jetzt noch neben Gott Mohammed einzuführen, geht echt zu weit. Sam schlendert weiter und grübelt vor sich hin.
Dann bleibt er stehen: „Mama, will Gott das wirklish?“ Oha. Was nun? Spitzenfrage. Nur, wie lautet die Antwort dazu? „Tja, Sam“ sage ich, „das ist eine sehr gute Frage. Und die kann ich dir leider nicht beantworten.“
„Können wir Gott frage?“, hakt er nach. Was sagt man da? Ich bin überfordert. „Sam“, sage ich, „lass uns nach Hause gehen. Ich muss darüber nachdenken.“ Ich hoffe auf eine Eingebung auf den letzten Metern. Sie kommt aber nicht. Zu Hause ist Darth Vader wieder interessanter. Schwein gehabt. Dieses Mal.
Kennt ihr solche Fragen? Wie klingen eure Antworten?
Tags: Sam fragt
1 Comment
Die erste Begegnung mit einer Burka: Guck mal, ein schwarzes Gespenst.
Das Thema Religion geht meine Tochter ganz pragmatisch an: Gott gibt´s nicht. Ich versuche ihr gerade beizubringen, dass sie dennoch ihren gläubigen Mitschülerinnen nicht den Vogel zeigt, wenn die ihr wieder erzählen, dass sie für irgendwas beten und das Glaube prinzipiell nichts schlechtes ist, so lange man ihn nicht mißbraucht. Auf die einzelnen Religionen gehen wir noch gar nicht ein. Lustigerweise möchte sie aber den Religionsunterricht besuchen und nicht in Lebenskunde gehen (oder ausschlafen, buhu).
Prinzipiell ist ja alles der gleiche Gott und jeder soll das meinetwegen umsetzen und glauben wie er will. Nur lasst mich damit in Ruhe, macht das doch zu Hause.
Nirgendwo steht, dass sich die Frauen so verkleiden müssen, aber viele möchten das ja so. Letztes Jahr in Dubai hat mir die gute Frau vom Kulturzentrum gesagt, dass es so keinen Streit gibt, wer schöner aussieht, alle sind gleich (wenn man die Manolo Blaniks, die goldenen Armreifen und Ringe, das goldene Iphone und die Handtaschen ausblendet…gähn) und dass sie sich auch mal ungewaschen in den Umhang schmeissen kann und ausserdem würden wir uns geschützt fühlen, so als Frau, weil eben keiner was sieht (so versucht man das wohl vor Europäern zu erklären). Letztendlich trägt man das Teil halt aus einer Mischung von Religion und Tradition. Oder so.