Luis, Sams Nachbarfreund zieht doch um. Eigentlich ist er auch schon umgezogen, aber ein paar Dinge waren noch hier und so war es klar, dass sie alle noch mal herkommen würden, um die letzten Kisten zu packen und endgültig den Schlüssel abzugeben.
Für Kinder heißt das aber: „Ach, der zieht doch gar nicht richtig um! Der ist ja nur kurz weg!“
Ich merke, dass Sam der Einzige der Kinder ist, der überhaupt eine Ahnung von Umzug und seiner Bedeutung hat. Allerdings ist für ihn klar: Wenn man umzieht, dann kommt man ja zurück. Wir sind ja auch aus London zurückgekommen. Umzug ist wie eine längere Reise. „Es ist longer als die Holiday in Sardinia, Mama, aber dann kommt man zurück!“
Ich versuche ihm zu erklären, dass man manchmal auch nicht zurückkommt. Oder auf jeden Fall nicht weiß, ob man zurückkommt. Aber er fragt hartnäckig weiter: „Wann kommt Luis zurück? Wenn Shnee ist? Oder im Summer?“
Die letzten Tage verlaufen also wie gewohnt ab: Sam und Luis und ab und zu die Nachbarstochter Sophie hängen zusammen wie Pech und Schwefel und genießen es.
Gestern Abend ist dann das letzte gemeinsame Abendbrot. Zumindest ich wusste, dass es ist das letzte dieser Art ist. Sam, Luis und Sophie sind viel zu beschäftigt damit, Robin Hood nachzuspielen. Dachte ich auf jeden Fall.
Ich rufe alle an den Tisch. Sofort geht die übliche Diskussion über die Sitzordnung los. Ich halte mich da grundsätzlich raus und versuche mich aufs Nudelwasser zu konzentrieren. Aber plötzlich weint Luis. Und zwar so richtig. Okay, ich muss mich doch mal einschalten.
„Was ist denn passiert?“, frage ich ihn. Er kann kaum reden vor lauter Tränen und Schluchzen. Und dann stottert er los: „Sam hat gesagt, ich kann morgen neben ihm sitzen. Aber ich bin doch morgen weggezogen!“ und ich höre, wie sein ganzes Leid aus ihm hervorbricht. Ich kann das so gut nachvollziehen, dass so eine scheinbare Lappalie wie eine „Sitzordnung“ den Schalter umlegen kann und sie plötzlich zum Katalysator wird für all das Aufgestaute, für das man vorher einfach keine Worte hatte.
Was mich aber besonders berührt, sind Sams und Sophies Reaktion. Sam ruft sofort: „Aber Luis, du bis doch meine Freund. Dann sitzt du eben hier neben mich!“ und Sophie sagt: „Ich tausche mit dir, Luis!“, und während sie sich auf den anderen Stuhl setzt, fügt sie hinzu: „Ich kann ja jeden Tag neben Sam sitzen!“ Nun, den Nachsatz hätte sie sich sparen können, das süße kleine Biest.
Und dann sitzen die drei und stopfen sich Pasta in den Mund und unterhalten sich über Robin Hood und wer wann wie alt wird und wer schon Vorschulkind ist und wer nicht. Und was es überhaupt zum Nachtisch gibt. Und ich stehe daneben und schlucke die Tränen hinunter. Ich glaube, ich werde Luis und seine Familie genauso vermissen wie Sam es tun wird.
P.S. Danke für alle eure süße Kommentare zu diesem Thema! Ich bin auch ziemlich sicher, dass wir Kontakt halten. Der erste Besuch ist ja schon geplant. Aber ich bin nicht gut beim Abschied. Und der gemeinsame Alltag wird uns einfach fehlen.
Tags: alles anders Mütter
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