„Sam, du musst dringend zum Friseur. Deine Haare sind zu lang“, sagt Sophie, die Nachbarstochter als sie in der Tür steht und ihr Blick auf Sam fällt. (Wer neu ist und Sophie noch nicht kennengelernt hat, der kann hier nachlesen)
Ich werde mittlerweile völlig ignoriert. Früher wurde ich wenigstens noch mit Sätzen bedacht wie: „Hallo, darf ich mit Sam spielen?“. Heute bin zum Türöffner, Saftreicher und Po-Abputzer degradiert und darf froh sein, wenn ich mit einem kurzen Lächeln begrüßt werde.
Auf das Haareschneiden reagiert Sam nur gelangweilt. „Ish kann die immer so zur Seite machen“, sagt er und streicht sich lange Zotteln aus der Stirn.
Es ist so faszinierend zu sehen, wie die beiden miteinander funktionieren. Am Wochenende war Sophie zu Besuch und Sam erzählte ihr in einem sogar mir vollkommen unverständlichen Monolog die Geschichte von Robin Hood.
Er ist noch immer etwas angeschlagen von der Grippe, die ihn letzte Woche erwischt hatte, ist aber auch sichtlich froh, endlich wieder mit Sophie spielen zu können. 5 Minuten lang plappert er in einer Mischung aus Englisch und Deutsch und vor lauter Aufregung haspelnd und Wörter verschluckend durch die Geschichte. Ich verstehe nur einzelne Worte wie „fox“ und dann „hippo“ (Gibt es Hippos bei Robin Hood??? Egal), dann schnappe ich noch „swerter“ und „bad king“ auf. Sophie sieht ihn mit relativ ausdruckslosem Gesichtsausdruck an, vielleicht umspielt ein sanftes Lächeln ihre Lippen, während er sich um Kopf und Kragen redet. „Oh Gott, denke ich, die Arme…“
Aber die Einzige, die die Geschichte nicht geschnallt hat, bin ich. Als Sams Wortschwall beendet ist, schaut Sophie ihn mit glühenden Augen an. Sam lächelt: „Sollen wie das jetzt spielen?“ (Ich denke immer noch WAS DENN BITTE?), aber Sophie ist begeistert, ach was sage ich, euphorisch: „Jaaaaaaa!!“
„Und ish bin der fox“, sagt Sam.
„Ja,“, quietscht Sophie, „und ich bin das Wildschwein.“
Von dem hatte ich in Sam’s Version gar nichts mitbekommen. Aber ich muss ja zum Glück auch nicht mitspielen.
Sie verziehen sich ins Sam’s Zimmer und das einzige, wozu ich ab und zu gerufen werde, ist um beim Kostümwechsel zu assistieren: Sophie im Löwenkostüm, Sam als Ritter, dann Sophie als Batman oder Sam als Pilot von der SAS (Die beiden letzen Rollen kannte ich auch nicht aus meiner Robin Hood Version). Ich höre wildes Geschrei und lautes Lachen. Und dann ist es plötzlich ruhig. verdächtig ruhig. Zu lange ruhig für meinen Geschmack. Ich stehe vor der Tür und lausche. „Lucie“, sage ich zu mir selbst, „was soll schon sein? Die werden schon nichts anstellen. Lass die mal in Ruhe!“
Ich öffne natürlich trotzdem die Tür. Und da sitzt der SAS Pilot auf seinem kleinen Stuhl und kriegt von Batman die Haare geschnitten. Eine dicke blonde Strähne liegt auf dem Boden und daneben eine Locke von Sophie. „NEIN!“, quietsche ich. Beide schauen mich an. „Mama, is nish shlimm!“, sagt Sam, „Sophie schneidet mir nur die Haare, dann muss ich nish zum Friseur. Ish hab Sophie auch schon die Haare geschnitten!“
Zum Glück sieht man weder bei Sam eine große Lücke, noch bei Sophie Lockenmähne eine fehlende Strähne. Aber ich konfisziere trotzdem vorsichtshalber alle Bastelscheren. Ich mag Robin Hood mit Surfer – Frisur lieber.
Tags: Liebe Männer & Frauen
2 Comments
Einen Surfer gibt’s sicher auch im Sherwood Forest – und bestimmt hat der auch noch ein Laserschwert oder so. Wegen der Aliens. Und der Drachen.
Ich seh schon… Da versteht jemand meinen Sohn… Lust auf Babysitten? ☺️