Sam mag Wasser eigentlich sehr gerne. Nur mit dem Kopf unter Wasser zu gehen, ist für ihn die größte Horrorvorstellung. Und wir wissen auch warum.
Als Sam zweieinhalb war, verbrachten wir den Sommer mit Freunden in Italien. Die meisten Tage lagen wir an einer wunderschönen glasklaren Bucht. Die Kinder konnten planschen und wir konnten herrlich zu der kleinen Badeinsel in der Mitte der Bucht schwimmen. Egal wie niedrig oder tief das Wasser ist, für mich gibt es eine nicht zu diskutierende Regel mit Nicht-Schwimmer Kindern: Sie haben Schwimmflügel oder ähnliches zutragen.
Aber wie das manchmal so ist, wenn man in einer großen Gruppe unterwegs ist und viele Kinder herumspringen: Man verliert den Überblick. Mir gefriert heute noch das Blut in den Adern, wenn ich daran denke, wie Sam plötzlich ohne Schwimmflügel auf der Badeinsel sitzt. Eins gibt das andere und als wir ihn im Kanu schnell an Land bringen wollen, kippt das auch noch um.
Marc und ich erwischen jeweils einen Arm von Sam, der schon auf dem Weg auf den Grund der glasklaren Bucht ist. Wir ziehen ihn raus, ich versuche die Situation zu überspielen, lache ihn an und versuche das ganze als Spaß abzutun. Ich will nicht, dass er Panik vor Wasser bekommt. Marc und ich zittern wie Espenlaub, als wir an Land ankommen und machen uns wahnsinnige Vorwürfe. Das hätte gründlich schief gehen können. Wir trösten uns aber damit, dass er die Brisanz der Situation nicht mitbekommen hat.
Ein halbes Jahr später hat er eine Lungenentzündung und während er mitten in der Nacht im Fieberwahn liegt, schreckt er hoch und wiederholt in panischer Dauerschleife: „Ish will nish unter Water wie in Italy! Nish Kopf unter Water wie in Italy!“
Soviel zum Thema er hat die Brisanz nicht mitbekommen. Und jetzt ist er knapp 5. Und er muss schwimmen lernen. „Kann ish shon!“, behauptet er und macht wilde Bewegungen in der Badewanne, „ish bin ein Seepferdchen!!“
Im Urlaub in Österreich denke ich: „Das hier ist ein guter Moment.“ Wir sind entspannt und können jeden Tag zum Schwimmkurs gehen. Vielleicht machen wir (also, Sam) sogar das Seepeferdchen?
Zum Glück macht ein gleichaltriger Junge mit, den Sam ganz toll findet, und der eine echte Wasserratte ist: Sebastian taucht ohne Unterlass und springt vor allem vom Beckenrand mit großer Arschbombe ins Babybecken. Letzteres imponiert Sam natürlich besonders.
„Ish will auch!“, flüstert er mir ins Ohr, „aber du musst meine Hand halten.“ Der Anlauf, den Sam nimmt ist das Wildeste an seinem Sprung. Dann hüft er wie eine Ballerina ins Wasser und achtet penibel darauf, dass sein Kopf trocken bleibt. Wir loben ihn natürlich trotzdem alle über den grünen Klee. Das geht zwei Tage so.
An Tag Drei versuche ich ihn zu ermuntern, dass er es vielleicht doch mal mit Kopf unter Wasser versuchen sollte. Mein Vorschlag wird rigoros abgelehnt.
Und interessanterweise beobachte ich aber bei mir einen wachsenden Ehrgeiz, dass mein Kind doch bitte auch mit Arschbombe und Kopf unter Wasser hier herumtollen sollte. Und das, obwohl ich ja die Vorgeschichte noch bestens und meine Angst auch physisch in Erinnerung habe. Es kriecht dieser Lucie-Ehrgeiz hoch. Von hinten durch die kalte Küche. Sam zeigt mir die rote Karte und droht mit Verweigerung des Schwimmkurses.
„Recht hat er“, sagt die eine Hälfte in mir, während die andere brummt: „Der soll sich nicht so anstellen.“
An Tag Vier gewinnt zum Glück die milde Seite in mir und ich denke: „Egal, er geht zum Schwimmkurs und vielleicht wird er einfach nie tauchen lernen. Finde dich damit ab, Lucie.“
Aber wie mein Sohn so ist, zeigt er mir wieder einmal, wer der Klügere ist. Denn während wir am 5. Tag im Kinderbecken planschen, paddelt er plötzlich zu mir und sagt: „Mama, kannst du mir Kopf unter Wasser drücken!“ „Klar“, sage ich total verdattert und mache es. Er kommt wieder hoch und lacht: „Nochmal!“ Wir machen es ein paar Mal und er findet es zum Brüllen komisch.
„Mama, ish habe gar keine Angst mehr!“, sagt er lachend, während er sich die nassen Haare aus der Stirn streicht.
Und die Moral von der Geschicht? Sam hat sein eigenes Timing. Und es ist viel, viel, viel besser als meins. Und er hat es schon sooft bewiesen. Als er sich entschied „jetzt ohne Windel“ oder ab „jetzt sleefe ich im Kindergarten“.
Ich sag ja, wer braucht Meditationskurse, wenn man Kinder hat? Und das Seepferdchen habe ich erstmal verschoben…
Tags: Leben Mütter
2 Comments
Bravo Sam ! Wow ! Wie bei meiner Tochter ! Auch ein Bootsunfall mit 2 – großes Drama beim Schwimmenlernen und dann in eben jenem Hotel in Österreich der Schwimmkurs ( aber erst mit 6 …) – heute mehr unter als über Wasser ! Das Seepferdchen kommt auch bei Sam noch … in seinem Tempo 😉
Ach, gut zu hören, dass es man nicht damit alleine ist! danke!