Ach, Yoga in Sri Lanka! Das wollte ich unbedingt machen. Schließlich praktiziere ich ja seit mittlerweile gut 15 Jahren Yoga. Ich sehe mich also braungebrannt am Strand mit einer gut aussehenden Yoga – Lehrerin im downdog, wie ich mit meinem Können punkte. Dream on, Lucie…
In unserer zweiten Bleibe, dem Hotel, der Club Villa in Bentota (alle Infos dazu folgen noch) fragte ich an der Rezeption nach Yogastunden. Kein Problem, ist die Antwort, man könne mir einen Yoga – Lehrer besorgen. Der Preis einer Einzelstunde ist kaum höher als der einer Gruppenstunde in Berlin, also los geht’s. „Wie heißt denn die Lehrerin“, frage ich. „Es ist ein Lehrer!“, werde ich belehrt und mein Bild kriegt den ersten kleinen Wackelkontakt.
Die Yogastunde ist um 17 Uhr und als mein Lehrer Lesley auftaucht, muss ich meinen ganzen Entwurf neu gestalten. Denn Lesley ist Ende 50 und sieht aus wie unser Fahrer Sunil: schwarze Anzughose, weißes Hemd und schwarze, spitze Schuhe. Er müsse sich nur kurz umziehen, ich solle mich schon mal auf die Matte setzen, die er da auf der Wiese platziert hätte. Ich gehe zu meiner Matte und denke: „Lucie, lass es auf dich zukommen. Du bist in Sri Lanka. Hier ist alles anders.“
Lesley kommt und hat nur das weiße Hemd gegen ein weißes T-Shirt gewechselt und die Schuhe ausgezogen. Er setzt sich ebenfalls auf seine Matte und sieht mich sehr skeptisch, fast hoffnungslos an. „We begin to stretch and warm up, Madame. Very important!“
Jaja, gut das weiß ich auch. Bin ja kein Anfänger, denke ich etwas hochmütig, nicke aber höflich und mache mit. Schon bei der zweiten Übung merke ich, dass hier ein anderer Wind weht. Lesleys Art erinnert mich an meine russische Ballettlehrerin, die mir auch immer gerne die Beine gegen den Uhrzeigersinn verdrehte. Das hier hat nichts mit ‚lässig im downdog stehen’ zu tun, das hier ist Arbeit!
Das Schöne an einer Einzelstunde ist ja, dass die Lehrer sich wirklich auf einen einlassen können. Heute wünschte ich mir eine große Gruppe, in der ich unsichtbar werden kann. Jedes Mal, wenn Lesley von seiner Matte aufsteht, um mir zu „helfen“, steigt Panik in mir auf und ich sehe mich bereits mit diversen Muskelfaserrissen im Krankenhaus liegen. Einzig und alleine die unfassbare Luftfeuchtigkeit und die Hitze retten mich.
Lesleys „Aufwärmübungen“ sind härter als jede Yogastunde für Fortgeschrittene in meinem Studio in Berlin. Ich schwitze und fluche innerlich, versuche mir aber keine Blöße zu geben.
„Are you okay, Madame?“, fragt er, als ich aufstöhne. No, Madame is not okay, aber ich nicke natürlich mit zusammengebissenen Zähnen. Ich lasse mich nicht unterkriegen!
Während ich meinen Fuß an einer Stelle sehe, wo er noch nie zuvor gewesen ist, werde ich jetzt auch noch von Mücken drangsaliert. Lesley kommentiert das nüchtern mit: „The mosquitos are early today.“ Und als ich einmal aus lauter Verzweiflung in den Baum über mir schaue und mich auf einen anderen Planeten wünsche, sehe ich drei Streifenhörnchen über mir, die sich köstlich zu amüsieren scheinen.
Aber als ob es nicht genügen würde, dass die Tierwelt Sri Lankas ihren Spaß hat, nein, Lesley hatte meine Matte so platziert, dass mich jeder sehen kann, der sich einen Drink an der Bar holt. Ich habe das Gefühl, dass die Engländer heute noch mehr trinken als sonst.
Nach 45 Minuten will ich nur noch weinen und unter die Dusche. Lesley massiert mir zum Glück noch ein bisschen den Rücken, während er mir mitgibt: „You have to do this every day! No flexible otherwise. And your bodyfat… mhh“. Kurzfassung: Unflexibel und zuviel bodyfat.
Dann zeigt er mir wie die Übungen richtig ausgeführt werden. Unfuckingfassbar: Lesley ist mit seinem knapp 60 ein Schlangenmensch. Ich komme aus dem Staunen nicht mehr raus.
Ich krieche die Treppe zu unserem Zimmer hoch. Marc und Sam liegen auf dem Bett. Sie haben es gewagt, mir von unserer Terrasse aus zuzuschauen. Sam begrüßt mich und fragt deutlich irritiert: „War das Yoga, Mama?“ und Marc feixt: „Das war ja ein Yoga Bootcamp.“
„Klappe!“, zische ich als Antwort. „Du willst auch nicht darüber reden, wenn die Eintracht verliert!“ Er verstummt sofort. Und ich gehe unter die Dusche und lecke mir meine Wunden.
Wer sich in der Gegend von Bentota aufhält und in den Genuss dieser Grenzerfahrung kommen möchte, der kann sich todesmutig an mich wenden. Ich gebe Leslies Email gerne weiter.
P.S.
Ich habe noch 3 weitere Stunden genommen. I hate to admit it, aber es wurde nicht besser. Die Streifenhörnchen kamen in Scharen, die Mosquitos kamen immer „early“ und die Engländer warteten bereits sehnsüchtig an der Bar, wenn wir loslegten. Ach, was freue ich mich auf meine Yogastunden in Berlin, bei denen ich schon alleine mit meinem schönen Yoga Outfit punkten kann.
P.P.S.
Und ja, auf dem Foto ist Lesley beim „Aufwärmen“… noch Fragen?
Tags: Mutterwürde Yoga
4 Comments
Hahaha, you made my day! Super, wie du schreibst – ich habe so mit dir gelitten! Und ich lache in kleinster Weise über dich, sondern eigentlich über mich: Denn jede Wette, mir wäre es ganz genau so ergangen. Angefangen beim „klitzekleinen“ Yoga-Hochmut bis hin zu den Familien-Kommentaren… Vielen Dank für deinen Humor! Ich werde daran denken und versuchen zu lachen, wenn ich im „normalen“ Leben mal in einer Sri-Lanka-Yoga-Situation stecke…
Ich beglückwünsche mich doch direkt, dass ich im Urlaub nie auf so sportliche Schnapsideen komme. Ich wäre gestorben.
Weiterhin euch aber einen ganz tollen Urlaub!
Haha, ich habe neulich zum ersten Mal Yoga gemacht und die Lehrerin meinte danach: „Nicht verzweifeln, das kommt mit den Jahren“ und zeigte mir ein Bild von so einem auf einer Hand stehend-sitzenden Menschen…ich befürchte nur, SO alt kann ich gar nicht werden, um das noch zu schaffen…;-)
LOL… very loud…
du hast Sri Lanka fürwahr mit Leib und Seele erlebt….
dagegen war das Colombo yoga doch eher für Letzteres.
mit warme Gedanken aus Havelock Town