Da ich jetzt ein paar Mal gefragt wurde, ob wir (bzw. die Schnullerfee) Sam wirklich einen echten Waran schenken wollen, wollte ich eine Sache ganz kurz klarstellen: NEIN! Wir sind ja nicht total lebensmüde! Ein echter Waran kann bis zu drei Meter groß werden und sabbert konstant wie 12 zahnende Babys, nur dass sein Speichel 51 tödliche Bakterien enthält. Und er isst zum Frühstück gerne mal einen ausgewachsenen Wasserbüffel. Woher soll ich den denn in Berlin-Mitte bekommen? Und wo unterbringen?

Zu eurer Beruhigung: Wir dachten eher an ein Schleich-Tier. Auf jeden Fall hatten wir das im Kopf als Marc letzten Montag loshechtete.

„Lucie, Schleich hat den Waran aus dem Programm genommen!“, brüllt mir Marc durchs Telefon ins Ohr. Wie bitte?? Seid ihr irre bei Schleich? Den Waran kann man doch nicht so einfach aus dem Programm nehmen. Zum Glück gibt es ja noch andere Anbieter im Internet. Wir werden fündig und bestellen ein Prachtexemplar. Mir gefällt besonders die gespaltene Zunge.

Er ist vorrätig, Lieferung soll schnell gehen. Perfekt. Allerdings kann ich Sam unmöglich mit leeren Händen unter die Augen treten. Es gibt einen Trost-Überbrückungs-Dino. Sam wünscht sich seit Wochen „eine Dino der Mund aufmache kann“. Heute bekommt er ihn. Plus Brief von der Schnullerfee, in dem sie ihn wortreich lobt und ihm erklärt, dass Warane sehr, sehr weit reisen müssen. Darum kommt er im Laufe der Woche, aber der Dino und das ausgedruckte Bild vom Waran kann er sich ja bis dahin anschauen.

Als wir von der Kita zurückkommen ist Sam wahnsinnig aufgeregt und rennt die Treppen hoch. Als er den Dino sieht, steht ihm die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. „Ish habe, hab Snullafee doch sagt, das ich Waran möshte!!“ „Jaaa, ich weiß, aber warte mal, mein Schatz“, versuche ich einzuwenden, „lass uns mal lesen, was die Schnullerfee schreibt!“ Ich lese ihm den Brief vor und er platzt fast vor Stolz über ihr Lob. Als er die Erklärung hört, dass der Waran auf dem Weg ist, nickt er. „Stimmt. Das isse weit weg.“ Der arme Dino wird völlig vernachlässigt, Sam will nur das Bild vom Waran anmalen und ich muss den Brief 12 Mal vorlesen. Als Marc nach Hause kommt, erzählt Sam ganz stolz von dem Brief (Marc muss noch 9 Mal vorlesen) und gemeinsam schauen sie sich das Waranbild an. „Hast du noch was bekommen?“, hakt Marc nach. Sam: „Nö.“ Marc sieht mich verwirrt an: „Echt nicht?“ Sam erinnert sich: „Ach so, eine Dino mit Mund auf.“ Marc und ich schauen uns verblüfft an. Die 19,90€ für den Dino hätten wir uns auch sparen können.

Die erste Nacht: Hart ist untertrieben. Sam wacht immer wieder weinend auf: „Mama, wo isse Schnulla?“ Als ich ihn an die Schnullerfee erinnere, stöhnt er ergeben: „Aber Mama, woran soll ich denn nuckeln? Ich MUSS nuckeln.“ Es bricht mir das Herz. Er leidet so wahnsinnig. Ich könnte mitheulen. Er ist auf Entzug wie ein Junkie. Jeder, der schon einmal versucht hat, sich das Rauchen abzugewöhnen, kann es wahrscheinlich nachvollziehen. Ich bin nur froh, dass ich die Schnuller wirklich alle in den Mülleimer VOR dem Haus getan habe. Ich hatte kurz gezögert. Aber ich kenne mich ja auch schon ein bisschen länger: So bitterlich wie er weint, würde ich jetzt wahrscheinlich schon zwischen Kartoffelschalen wühlen. Aber ich habe gesehen, wie die Müllabfuhr alles abholte.

Wir überstehen die erste Nacht. Wir sind beide völlig fertig. Sam wacht auf: „Wo isse Waran?“ Wir schauen vor der Tür nach, aber da ist natürlich nichts. „Sam, er kommt. Ich verspreche es dir. Aber es kann sein, dass wir noch eine Nacht schlafen müssen.“

Zweite Nacht: Auch nicht lustig. Zum Glück ist die Notapotheke zu weit weg. Ich bin kurz davor, dort hinzufahren und für Rettung zu sorgen. Es wird langsam besser. Aber er vermisst das Nuckeln sehr und kaut dafür an meiner Hand. Zum Glück nicht an seinen eigenen Fingern. Denn wie soll man das denn abgewöhnen?

In der dritten Nacht kommt es nur noch zu ein paar wenigen Unterbrechungen. Ich glaube wir sind beide so erschöpft, dass wir einfach durchschlafen. Morgens wacht er auf: „Mama, ish shaffe es ohne Schnulla! Ich bin doch ein big boy!“ Ich knutsche den kleinen Mann mit seinen Wuschelhaaren und den schwarzen Ringen unter den Augen. Mann, sind wir im Eimer. Bringt die Schnullerfee eigentlich auch was für die armen Mütter? Ein paar High Heels? Eine Massage?

Allerdings ist die viel wichtigere Frage: Wo bleibt der verdammte Waran?? Ich rufe noch mal bei dem Hersteller an: „Der kommt! Das ist eine Warensendung, das kann dauern.“ Hatte ich nicht Express angegeben? „Nö, hatten Sie nicht.“ Ach, du Scheiße.

Ich bin total ungeduldig  und verfluche die Schnullerfee. Sam beschwichtigt mich: „Mama, man darf nich sauer auf die schnullafee sein, die beeilt sich. Das isse okay. Ich male noch mal das Waranbild an. Kannst du Brief noch mal vorlese?“ Oh mein Gott, ist mein Sohn geduldig.

Donnerstagabend finden wir eine Mitteilung der Post im Briefkasten, dass eine Warensendung angekommen ist. Sam brüllt sofort: „Mein WARAN!!“ Wir stehen Freitag früher auf, radeln vor der Kita noch zur Post. Wir hüpfen von einem Bein aufs andere, während die verschlafene Postangestellte unser Päckchen sucht. Die Enttäuschung ist riesig: Es ist eine schnöde Büchersendung für mich. Sam kämpft mit den Tränen: „Mama, jetzt bin ish schon ganz schön traurig…“ Ich rufe noch mal den Hersteller an. „Bitte gedulden Sie sich noch bis Montag. Es tut mir wirklich leid“, versucht er mich zu beschwichtigen. Ich bin den Tränen nahe.  „Bitte“, flehe ich ihn an, „schicken Sie den Waran noch einmal los, im schlimmsten Fall haben wir dann eben zwei davon.“

Eins frage ich mich aber doch? Wer hat eigentlich die Schnullerfee erfunden? Ist das nicht irre, wie einen so ein Schnuller-Thema jetzt schon eine Woche lang beschäftigen kann? War das Hallmark? Toys’r us? Schleich? Nee, die haben ja den Waran aus dem Programm genommen… Früher gab es gar keine Schnuller bzw. keine Schnullerfee. Da war der Schnulli weg. Zack! Die Abgewöhnungsnächte waren wahrscheinlich auch nicht schöner. Ich weiß auch nicht, aber wer macht hier wen irre? Ich Sam, weil ich so auf die Schnullerfee beharre? Die Schnullerfee mich? Die Spielzeugindustrie uns alle?

Egal wie, drückt BITTE die Daumen, dass die Post uns heute gnädig ist…