Ich stehe in einem großen Kaufhaus am Oxford Circus und suche hektisch nach einem Geburtstagsgeschenk für die Tochter einer Bekannten hier in London. Ich finde ein entzückendes kleines T-Shirt, jetzt muss ich es nur noch verpacken. Aber wir haben noch kein Geschenkpapier zu Hause, geschweige denn Tesafilm und unsere Schere hat Sam irgendwo vertrödelt. Aber das liebe ich ja so an London, es gibt für alles einen Special Service. Und natürlich auch einen Geschenk-Verpackungs-Service. Ich bin gerettet.
Ich gehe also in den 5.Stock und am Counter steht ein Herr mittleren Alters im dunklen Nadelstreifenanzug mit gelbem Einstecktuch. Er begrüßt mich höflich, wie es nur die Engländer tun. Ich zeige ihm das T-Shirt: „Would you please be so kind to wrap this as a gift?“ Er ist verzückt. Aber eben auch nicht wie in durchgedreht verzückt, sondern verzückt mit englischer Contenance: „This is so lovely! Good choice!“ Ich erkläre ihm, dass das Shirt für die Tochter einer Freundin ist.
„Oh, gosh, I think I just might have to get one for my daughter Poppy!“ Das war geradezu ein emotionaler Ausbruch. Jetzt wird er wieder ganz professionell: „Which wrapping paper would you like?“ Ich zeige auf das bunte Papier mit großen Punkten. „Excellent choice!“, sagt er und fängt an das Papier abzuschneiden. „The spotty paper is so much fun for children!“ und er hebt an, über das Papier und seine bunten Punkte in einer Art zu referieren, dass ich überlege, augenblicklich ins gepunktete Geschenkpapier-Business einzusteigen, da es anscheinend so irre viel Spaß macht. Er legt das T-Shirt vorsichtig in eine Box und fängt an, das Papier herum zu wickeln.
Ich stehe davor und kann kaum glauben, was er da macht. Jede noch so kleine Papierfalte wird mit Tesafilm festgeklebt, danach wird Doppelklebeband verwendet, um die Falte wiederum an der Box festzukleben, ohne dass man das Tesa von außen sieht! Während er in akribischer Kleinstarbeit mit seinen perfekt manikürten Händen das T-Shirt verpackt, stehe ich vor ihm und werde langsam nervös. Ich habe meinen dicken Fellmantel an, weil es heute Morgen noch so kalt war, mittlerweile ist es aber wieder warm und ich schwitze. Zudem bin ich etwas spät dran. Ich muss Sam von der Kita abholen. Und ich hätte nie damit gerechnet, dass man so lange mit dem Verpacken eines Geschenks verbringen kann und dabei auch noch soviel zu erzählen hat!
Jetzt merke ich auch noch, dass ich aufs Klo muss. Ich wiege also von einem Bein aufs andere, versuche Konversation zu machen, womit ich allerdings kläglich scheitere. Ich versuche mit zuhalten, aber mir geht die fehlt das lockere englische Konservations-Gen. Ich verstecke meine Hände tief in meinen Manteltaschen, weil mein Finger nicht so toll manikürt sind, wie die des Geschenkeinpackers.
Das ist ja wie in Love Actually schießt es mir durch den Kopf, als Alan Rickman seiner Geliebten heimlich eine Kette kaufen will und der Geschenk-Verpacker Rowan Atkinson alias Mister Bean stundenlang an dem Paket rumfeilte. Und ich dachte immer die Szene ist zwar irre lustig, aber da hat sich vor allem Mister Bean ausgetobt. Aber das stimmt nicht! Es gibt ihn tatsächlich – diesen manischen Geschenk-Verpacker!
Nach 16 Minuten (ich schwöre, es waren 16 Minuten!) ist das Geschenk fertig eingepackt. Aber er hat es sich nicht nehmen lassen, noch einen Vortrag über Geschenkbänder im Allgemeinen und Besonderen zu halten, „they had a better grip last year, but the hot pink is really quiet nice“,um dann abzutauchen in die Trendtendenzen für den Sommer: die neuen Farben in der Geschenkverpackung. Hier sein Geheimtipp: Schwarzes Papier mit pinker Schleife ist im Kommen.
Völlig fertig, aber auch sensationell unterhalten renne ich zur Kita! London I love you! Ich will mehr!
Tags: Klischees London
3 Comments
I <3 the Brits!
Hach, das klingt einfach toll! Ich kann mir die Situation beim Lesen bildlich vorstellen…und bekomme doch glatt Heimweh nach London. Genieß die Zeit dort. 🙂
Klingt herrlich, aber auch herrlich anstrengend *g*
Ich liebe diesen Film und die Szene kenne ich fast auswendig.
Ich stelle es mir sehr beeindruckend vor, dies selbst zu erleben – unter Zeitdruck 🙂
So schafft man Arbeitsplätze, lach.