Wenn ich Sam morgens in der Kita abgebe, bleibe ich oft noch kurz und plaudere mit den anderen Eltern. So auch gestern Morgen. Marisa steht neben mir und ich frage: „Geht ihr heute noch in den Park?“ Sie schüttelt den Kopf: „Leider nicht, unsere Nanny hat heute frei und da komme ich ja nicht aus dem Haus.“
Man muss dazu wissen, Marisa hat nicht nur die dreieinhalbjährige Tochter Siri, sondern auch anderthalbjährige Drillinge. Ja, ihr habt richtig gelesen DRILLINGE!! Und nur damit ihr die Frage aus dem Kopf streichen könnt: Da wurde nicht gebastelt, nur das getan, was man üblicherweise tut, wenn man Kinder möchte.
Und während ich diese immer gut gelaunte, zauberhafte Marisa anschaue, verstehe ich die Tragweite: Ja, klar, wie soll man denn mit 4 Kleinkindern alleine vor die Tür? Sie haben einen Doppel – Kinderwagen und einen normalen Kinderwagen mit einem Trittbrett, auf dem Siri steht. Die Drillinge sind entzückend aber wild. Und Siri ist auch ein sehr temperamentvolles Mädchen, die nicht einfach nur brav im Gras sitzt und Blümchen pflückt.
„Soll ich dich abholen? Dann kommst du wenigstens vor die Tür“, schlage ich ihr vor. Marisa ist sofort begeistert: „You made my day!“
Sam ist mit seiner Babysitterin im Park unterwegs, als ich bei Marisa vor der Tür stehe. Alleine für das Eincremen von vier Kindern mit Sonnenmilch muss man mindestens 25 Minuten einrechnen – wenn sie alle still halten. Der Weg zum Park verläuft ohne Komplikationen, wir sind zu zweit mit vier Kindern. Das ist machbar.
Im Park sitzt die Hälfte des Kindergartens. Sam rennt über die Wiese und winkt mir zu. Wir gesellen uns dazu, und während ich mich erst mal entspannt auf die Decke setze, registriere ich, dass Marisa das nicht macht. Die drei Kleinen stehen im Gras und rennen tatsächlich alle gleichzeitig los – in verschiedene Richtungen. Die eine fällt ins hohe Gras, wo man sie gar nicht mehr sieht, die andere rennt den Hügel hoch und der dritte hängt kopfüber am Zaun. Mein schlechtes Gewissen lässt mich aufspringen und ich renne einem der Kinder hinterher. Und so bleibt es auch die nächste Stunde.
Nach einer Stunde bin ich komplett am Ende, Marisa lächelt immer noch gut gelaunt, ich bin im Schock. Wir machen uns mit den 5 Kindern (jetzt mit Sam) auf den Nachhauseweg. Sam und Siri stehen auf dem Brett, die Drillinge sitzen festgeschnallt in den Kinderwagen. Sogar die Polizisten am Kensington Gardens kommentieren die Kinderschar: „That’s really a handfull!“
Auf der großen Einkaufsstraße Kensington High Street lavieren wir uns durch die Menschenmengen. Eine kleine Straße müssen wir noch überqueren, dann sind wir da. Marisa geht mit dem Doppelwagen vor, ich folge mit dem einzelnen Kinderwagen und Sam und Siri auf dem Brett. Plötzlich hält mein Wagen abrupt an. Wir kommen keinen Schritt weiter. Sam hat an der Bremse gespielt und jetzt hat sie sich verklemmt. Sofort entsteht ein Riesenstau. Marisa steht schon auf der anderen Straßenseite. Aber sie kann den Zwillingswagen ja nicht alleine lassen. Glücklicherweise springt eine Frau ein: „I’ll stand with the other side!“, bietet sie an, während Marisa und ich krampfhaft versuchen, die Bremse zu lösen und den mittlerweile riesigen Stau zu ignorieren.
Zuhause angekommen stürmen alle fünf Kinder los und schaffen es, innerhalb von 3 Sekunden das Kinderzimmer zu verwüsten. Nach einer Stunde bin ich nass geschwitzt. „Du sieht ein bisschen schockiert aus“, sagt Marisa lachend.
Ja, das bin ich auch. Wie macht sie das bloß? Und vor allem mit unverändert guter Laune? Warum sind ihre Fußnägel perfekt manikürt? Ihre Bluse sauber? Warum erhebt sie nie die Stimme? Woher nimmt sie diese Sanftheit und diese unendliche, liebvolle Geduld? Natürlich wird es auch bei ihr ganz bestimmt Momente geben, in denen sie auch mal am Rande des Nervenzusammenbruchs ist, aber seit 6 Monaten erlebe ich sie so entspannt. Ja, ich bin tatsächlich im Schock. Was mache ich denn hier für ein Drama mit einem einzigen Kind?
Auf dem Weg nach Hause stehe ich immer noch unter Schock und bin gleichzeitig voller Bewunderung. „Du musst mal deine Dramaqueen ein bisschen zähmen“, denke ich, „die ist zwar immer wieder äußerst unterhaltsam, aber nicht immer angemessen.“
Beim Abendessen erzähle ich Marc von dem Nachmittag. „Wir motzen jetzt mal weniger, okay?“ Er nickt zustimmend. Und dann erhebe ich das Glas auf alle Zwillings- und Drillingsmütter! Auf alle Mütter mit vielen kleinen und großen Kindern! Und auf Mütter, denen auch mal mit weniger Kindern die Nerven blank liegen! Ach, was sage ich: Ich trinke auf uns Mütter!
Tags: Mütter
21 Comments
Super süßer Artikel, ich fühlte mich, als wäre ich dabei gewesen.
Danke! Es wäre wahrscheinlich auch gut gewesen, wenn Du dabei gewesen wärst… 😉
Hallo Luice!
Toller Artikel!
Ich werde versuchen auch ruhiger zu werden 😉
Habe eine Tochter (4 1/2) 😉
Lg jule
Lieb Jule, it’s worth a try! 😉 Schönen Tag Lucie
Hallo!
Ein toller Artikel!
Ich bin leider erst vor kurzem auf deinen Blog gestossen, aber ich finde ihn großartig. Er ist sehr schön und unterhaltsam zu lesen! 🙂
LG,
Annica
was für eine tolle Story!
Ich trinke gerne mit, auf alle Mütter!
Sehr gut! Cheers!
Mittlerweile bin ich auch an dem Punkt angekommen, alles entspannter zu sehen, habe zwar „nur“ ein Kind, aber auch der mittlerweile nicht mehr ganz so Kleine (fast 10) war immer das einzige Kind, was nicht artig im Sandkasten spielte sondern auf allen Vieren durchs Gebüsch robbte 🙂
Ja, Kinder sind besser als jede Meditaionsgrupppe….
Ich bin ein bisschen neidisch. Ich habe eine 3,5jährige Tochter und 2jährige Drillinge und keine Nanny 🙁
Das ist nicht dein Ernst!!!??? Wie machst Du das? WOW!!
Oma & Opa und mein Mann müssen mit ran 🙂
Toll, das Du die hast! Meine Bewunderung hast Du trotzdem !!
Habe gerade lecker gefrühstückt und anstelle des Tagesspiegels Deine Kolumne gelesen. Es ist in der Tat eine logistische Leistung mit Mehrlingen. Ich vermute, dass es mit einem genauso schwer ist auf andere Art und Weise. Meine Zwillinge 4,5 spielen mittlerweile so intensiv miteinander, dass es mich für die ersten 2,5 Jahre „Intensivbetreuung“ fast schon entschädigt. Jede Situation hat was in und für sich. Trotzdem, immer gut gelaunt und nie die Stimme erheben kann ich nicht… In diesem Sinne, sonnige Grüße Renata
Oh, was für ein Kompliment, dass Du mich statt des Tagesspiegels gelesen hast! DANKE! Und ja, ich glaube auch jede Situation hat was. Ich glaube in ein paar Jahren werde ich sehr neidisch sein auf Marisas große Kinderschar!
@Renata:
Na da hab ich ja noch Hoffnung, dass sich auch bei mir die ersten beiden aufreibenden Jahre der Intensivbetreuung meiner zweijährigen Zwillingsjungs auszahlen 😉
Ich hoffe, sie spielen in Zukunft auch mehr miteinander, als dass sie sich um jede Kleinigkeit streiten 😉
Und ich kann leider auch zu oft nicht so ruhig und geduldig bleiben, wie die Marisa aus dem Beitrag… Das würde ich gern an mir ändern – mehr Gelassenheit und Geduld… Aber manchmal machen sie einen eben wahnsinnig, die Kleinen 😉
LG Carina
Was soll ich sagen…
Meine drei Jungs sind seit kurzem 9 Jahre alt… Die Star Wars Phase hält immer noch an (damit weißt du was auf dich zukommt Lucie) und zusätzlich läuft hier rund um die Uhr Fussball.
Aber ich habe es jetzt trotzdem geschafft mich durch alle Seiten deines Blogs zu lesen… Herrlich!
GLG
DIANA
Großartig! Das hört sich GROSSARTIG an! Und wie schön, dass Du alle Seiten des Blogs gelesen hast. Danke!
Und ich schon wieder…muss nun einfach überall meinen Senf dazugeben 😉
Es hat richtig Spaß gemacht diesen Post zu lesen und ich wäre gern dabei gewesen! Ich bewundere auch jede Mehrlingsmama! Ich bin hochschwanger mit meinem ersten Kind (Kündigungstermin: 25.06 :O) und die Schwangerschaft war/ist schon nicht ohne und wenn ich mir vorstelle, dass dann noch mehr Babys in meinem Bauch schwimmen…Uiuiui. Hut ab an deine Freundin!
Ich habe deinen Post gerade erst gelesen und musste lachen. Er ist so nah dran geschrieben.
Außerdem beschreibt er sehr genau, warum ich begonnen habe, unser Chaos niederzuschreiben.
Ich habe nur zwei Kinder. Zwillinge. Aber schon das reicht, dass ich täglich höre:
Wie schaffst du das eigentlich?
Wieso bist du dabei immer noch so gut gelaunt/entspannt/frisiert/geschminkt/sauber/locker?
Ich habe mir darüber keine Gedanken gemacht, bis eben diese Sätze zu meinem ständigen Hintergrundrauschen gehörten.
Ich glaube, die Antwort ist relativ einfach. Man wächst mit seinen Aufgaben und es ist gut so, wie es ist. Wer selber nicht in der Situation ist, kann es vielleicht nicht verstehen, aber es läuft. Man muss nur darauf vertrauen.
Drillinge erscheinen mir auch wahnsinnig. Weil ich gerne sage „2 Kinder, 2 Arme, passt doch. “ Aber mittlerweile denke ich, auch das würde laufen. Chaotisch aber läuft.
Herzliche Grüße
von einer, die deinen Blog gerade erst für sich entdeckt hat
Welcome! schön, dass Du da bist!