Sam liebt Geschichten. Er kann stundenlang mit seinen Schleichtieren spielen und sich dabei Geschichten erzählen. Noch lieber mag er es natürlich, wenn wir ihm Geschichten erzählen. Am liebsten abends, wenn das Licht bereits ausgeschaltet ist und er sich in seine Decken und an mich kuschelt. Manchmal bin ich so müde und einfallslos, dass mir nur noch eine fast dadaistische Kurzform einer Geschichte gelingt: „Es ist dunkel und alle schlafen, die Mama zuerst.“
Das lässt er mir aber nie durchgehen. Es ist ja auch schön Geschichten zu erzählen, aber Sam Geschichten zu erzählen ist so eine Sache: Er lässt mich nie selbst bestimmen, wer in der Geschichte vorkommt und auch bei der Handlung wird immer sofort eingegriffen.
„Mama, also, ish bin ein Superhero und dann sind da noch Batman und ein kleines süßes Baby Kätzchen und wir müssen den bösen Joker fangen“, gibt er gestern vor. Okay, tapfer fange ich an. „Also, Sam und seine Freunde Batman…“
„Nein, Mama, ish bin auch eine Superhero!!“
Ohje, wie konnte ich das vergessen: In Sams Geschichten ist natürlich immer er der Held! Ja klar, wenn man die Geschichte schon selbst erfindet, dann kann man auch die Rollenverteilung bestimmen…
Ich nehme einen zweiten Anlauf: „Also, Sam, der Superhero mit seinem Superhero Freund Batman und der süßen kleinen Babykatze sind in Kensington Garden auf dem Piratenschiff, als sie plötzlich einen Schrei hören…“
„Ja, Mama, das ist von die Queen! Weil der Joker hat ihre Jewels gestohlen und sie weint ganz laut! Erzähl‘, Mama, erzähl!“, werde ich unterbrochen.
„Okay, also die Queen weint, weil…“, aber ich komme nicht weiter.
„Gaaaaanz laut!“, Sam zappelt vor Aufregung, „und dann fliegen Batmen und ish zu die Palace und das Kätzchen sitzt auf meine Rücken. Und dann sagen wir: „Don’t worry!“ (Hier wird die Stimme dramatisch angehoben) Wir finden die Joker! Und dann gehen wir zu die Cave, da wo der Joker wohnt! Erzähl‘, Mama, erzähl!“
Ich versuche, wieder den Einstieg zu finden. „Okay, also, dann sind sie alle in dieser Höhle…“ aber da werde ich schon wieder ausgebremst.
„Mama“, flüstert Sam und ich weiß jetzt kommt was Besonderes, denn Sam kuschelt sich an mich und flüstert mir ins Ohr, „in die cave from the joker ist auch diese girl von die Hotel Affensee…“
Ich glaube, er meint das Hotel Achensee, wo wir im Oktober ein paar Tage verbracht haben, und ich erinnere mich auch an ein Mädchen, in das Sam sich verliebt hatte, die ihn aber gnadenlos hat abblitzen lassen. Sie war auch schon 12.
„Okay, sage ich, dann ist da also noch dieses Mädchen…“, aber ich komme nicht weiter.
„Mama, und ish bin der Boss, darum werde ish von zwei Nashörner in eine Carriage getrage!“
Er hat eindeutig zu viel Robin Hood und Asterix und Obelix gelesen… Seit wann werden Helden denn getragen?? Ist das die neue Generation von Helden?? Au weia!!
„Und dann haue ish dem Joker auf die Nase und auf seine bottom und dann rette ish das girl und die Diamanten von die Queen und wir fliegen alle nach Hause!… Erzähl‘, Mama!“
Ihr seht, ich komme erst gar nicht dazu, mir etwas auszudenken. Ich bin ein Wiederkäuer! Und muss die vorgekauten Häppchen von meinem Sohn ein zweites Mal kauen. Es wird Zeit, dass er in die Schule kommt und schreiben lernt. Dann gehe ich in den Vorruhestand und er kann seine Heldengeschichten verticken. Vielleicht sollte ich mir das mit der Rückstellung nochmal überlegen…
Tags: Nervensägen
7 Comments
Ich habe mich grad weggeschmissen vor Lachen!
Das muß er doch von dir haben, diesen Drang Geschichten zu erzählen… B-)
Wahrscheinlich! Er „schreibt“ ja auch schon in sein Noitzbuch… wahrscheinlich kommt irgendwann die Gegendarstellung…
Zu köstlich :-)!
Auf die ersten Aufschriebe kannst du dich tatsächlich freuen.
Meine erste „Geschichte“ (Die Affenbande) habe ich bis heute aufgehoben und meine Kinder amüsieren sich inzwischen königlich darüber… ich habe sie im zarten Alter von 6 Jahren sogar „illustriert“ 😉
Großartig! Und wie toll, dass Du das noch hast!
Ist doch super, der Junge hat Fantasie. Meine Mädchen wollen auch immer Geschichten hören, schauen sich aber während des Mittelteils überheblich-wissend an und schließlich sagt eine: „Mama! Das kann doch so niemals passiert ein. Kannst du nicht eine „echte“ Geschichte erzählen?“…
Oh, verflucht, das ist auch nicht schön… Kinder können solche Klugscheißer sein…
Bruhahahaha…ich schmeiss mich weg…ich schwöre genauso läuft es bei uns ab…nur dass sich hier zwei Jungs darum streiten wer in der Geschichte die wichtigere, bessere Hauptrolle übernimmt.. (wir haben gerade die Konkurrenzkampfphase….ich hoffe zumindest dass es eine Pnase ist) 😉