Freitag, 15.49 Uhr Elli, unser Babysitter ist auf meiner Mailbox:
„Ich habe Sam um drei Uhr von der Kita abgeholt und er hat behauptet, dass das Laufrad neben dem Buggy seins sei. Jetzt waren wir die ganze Zeit auf dem Spielplatz und gerade sagt er: ‚Das isse ganiss meins.’ Ohjeeee!!! Haben wir jetzt das Laufrad von einem anderen Kind?“
Ich stehe am Arsch der Welt bei den Proben von einer neuen Produktpräsentation (So ein Lenkradschloss hat eine neue Schraube, ich kann keine weiteren Details nennen…nicht weil es so topsecret ist, sondern weil ich es einfach selber nicht so richtig kapiere, was ich da präsentieren soll) und denke: „Scheiße! Dieser Satansbraten.“ Andererseits imponiert mir seine Gerissenheit und ich finde es auch echt lustig.
Dann fällt mir ein entscheidendes Detail auf: es ist Freitag und wahrscheinlich sitzt die Mutter des Laufradbesitzers mit einem brüllenden Kind zu Hause…und muss das Geschrei im Zweifelsfall das ganze Wochenende ertragen. Ich fange an zu schwitzen. Die wird mich Montag steinigen. Und zwar zu recht.
Mittlerweile ist es 16 Uhr, die Kita ist natürlich geschlossen. Ich rufe Elli an. Die ist ganz aufgelöst: „Ich hatte mich schon gewundert. Sein Rad sieht so anders aus. Aber Sam hat es so oft wiederholt bis ich es geglaubt habe.“
Was macht man mit so einem Teufelsbraten? Letzte Woche, als ich ihn abholen wollte, hatte er rosa Leggings an, die nicht seine waren, sondern seiner Freundin Mara (zwei Jahre alt) gehörten. Als ich sie ihm ausziehen wollte, brüllte er die Kita so dermaßen zusammen (MEINS!!! MEINSS!!!!!!), dass seine Erzieherin Anke nur entnervt meinte: „Lass sie an und bring sie morgen wieder mit.“ Und Mara war, wie wir Frauen halt so sind, tiefenentspannt: „iss gesshenkt.“
In der Garderobe war er dann ganz ruhig und lächelte mich spitzbübisch an: „Isse Mara Hose.“ Ich dachte, ich hör nicht richtig.
Wie geht man denn mit so was um? Lässt man Fünfe gerade sein? Man darf sich ja in dem Alter keinen Patzer erlauben. Sam merkt sich alles und ich muss es ausbaden. Wenn ich einmal nachlässig bin und ihm nach dem Eis noch Gummibärchen genehmige, dann habe ich drei Tage lang die Schreierei, wenn das nicht zum täglichen Ritual wird. Das Wort „Ausnahme“ will er in seinen Wortschatz nicht aufnehmen.
Bin ich zu nachgiebig und ziehe hier das nächste Problemkind auf? Erst Laufrad & Leggings „ausleihen“, dann Handyklau? In meinen Horrorfantasien sehe ich Sam schon auf RTL bei „Teenager außer Kontrolle“ in Tibet bei einem Resozialisierungs-Ziegenzüchter wohnen. Zum Glück hat er die deutsche Staatsbürgerschaft. Ausweisen können sie ihn schon mal nicht. Ich bin ratlos. Ich muss das weiter beobachten und mir von 3 Freundinnen 8 Meinungen einholen. Aber jetzt muss ich erst mal für die Mutter des Laufradbesitzers einen Kuchen backen, damit sie mir am Montag nicht ins Gesicht springt.
Tags: Erziehung Vorbild
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