Kennt ihr das auch? Ich bin müde und statt einer Pause mache ich mir einen doppelten Espresso. Ich muss aufs Klo und vertröste mich: „Später“. Ich sitze mit Gummibärchen und Chips auf der Couch und weiß, dass mir gleich schlecht wird, esse aber trotzdem beides. Natürlich durcheinander. Ich bin mit der Arbeit am Anschlag und schwöre mir, nichts Zusätzliches mehr anzunehmen, aber auch wirklich gar nichts mehr. Der Gedanke ist noch nicht zu Ende gedacht, da macht mein Emailaccount „ping“ und da leuchtet mir dieses Superangebot entgegen und ich sage sofort zu.
Ja, ich bin da ausgesprochen konsequent im Ignorieren meiner Bedürfnisse. Die Gründe? Vielfältig.
Letztes Wochenende waren Marc und ich in einem kleinen Küchenladen. Man kann dort stundenlang Kochbücher wälzen und an der Bar verweilen. Ein kleiner Junge, etwa 8 Jahre alt, stand mit seinen Eltern und Freunden der Eltern an der Bar. Sie hatten sich wohl zufällig dort getroffen. Ich bekam das Gespräch nur so mit halbem Ohr mit, konnte aber hören, dass der Junge etwas trinken wollte. „Eine Limo“ wünschte er sich.
Wir Eltern kennen diese nervige Situation, wenn Kinder plötzlich quasi vor Hunger oder Durst zusammenbrechen und dann als einzig möglichen, lebenserhaltenden Wunsch „Gummibärchen“ oder „Fanta“ angeben und beim Angebot von „Wurstbrot“ oder „Wasser“ plötzlich genesen sind.
Der Junge hörte aber nicht auf zu insistieren. „Ich habe wirklich Durst“, sagte er und wurde von den Eltern und deren Freunden belächelt: „Jaja, du bist ja auch schon ganz verschrumpelt!“, bekam er als ironische Antwort.
Meine Ohren hatten mittlerweile die Größe von Mickey Maus. Denn während die Erwachsenen sich wahlweise über den Jungen lustig machten oder ihn ignorierten, rief er: „Mann, ich trinke auch Wasser. Ich habe echt Durst!!“ Aber die Befragten blieben unerbittlich: „Jetzt gibt es nichts.“ Dass da volle Wassergläser auf dem Tisch standen oder man bestimmt auch ein Glas Leitungswasser hätte bekommen können, wurde aber eindeutig nicht in Erwägung gezogen.
Und während ich kurz davor war, dem Kind ein Glas Wasser zu reichen, dachte ich: „Wie oft hörst du eigentlich auf deine Bedürfnisse, Lucie? Oder auf die von Sam? Oder Marc?“
Die Antwort darauf, wie ich mit mir umgehe, habe ich zu Anfang ja schon beschrieben. Und tja, wie das so ist mit schönen Angewohnheiten, die gibt man ja gerne weiter. Denn mein Fazit ist, ich tue es viel zu selten. Da ist noch viel Luft nach oben. Ich nehme mir ab jetzt vor, genauer hinzuhören und hinzuschauen. Und vielleicht fange ich mal bei mir selbst an? Hmm.
Heute zum Beispiel, könnte ich wirklich einen Tag in der Sonne vertragen. Mit Nichtstun und einem kleinen Mittagsnickerchen… aber warte mal, da sind ja noch drei Anfragen und 157 Emails und außerdem wollte ich noch den Balkon bepflanzen und Raffaella besuchen und dann sind da noch die Fenster, die schon zu Milchglasscheiben mutiert sind und die 8 Berge Wäsche und Sams Kleiderschrank muss dringend aussortiert werden und … sagte ich schon, dass der Weg das Ziel ist? Happy monday!
Tags: Erziehung
7 Comments
Ach ja, Du hast so recht, Lucie!
Gerade als Mami schiebt man die eigenen Bedürfnisse oft weg – ist ja immer so viel zu tun! Doch gerade Pferde, die gut laufen sollen, muss man ja gut füttern 😉
In diesem Sinne: Ich nehm mir mal vor, mein Mittagessen heute WARM zu essen!
Einen sonnigen Montag wünscht die Küstenmami
Warmes Mittagessen?? Du bis ja verwegen! Das probiere ich heute auch aml aus…
Ein brandaktuelles und immer wiederkehrendes Thema, gerade bei uns Frauen: Eigene Bedürfnisse ernstnehmen, Perfektionismusdenken runterfahren… Ganz schlimm, wenn man diese eingefahrenen Verhaltensweisen an die Kinder weitergibt.
In diesem Sinne: „Fuck Perfektionismus“! Füße hoch, Pause machen, mit dem Kind im Garten eine Limo trinken statt Frustfressen am Computer.
Liebste Grüße,
Valérie
FUCK Perfektionismus habe ich mir gerade als posted auf’s Laptop geklebt! Recht hast Du!
Lieben Gruß,
Lucie
Ja, das Problem kenne ich. Heute wollte ich endlich mal zum Pilates gehen, um die Rückenschmerzen in den Griff zu bekommen, prompt wird die Kleine krank. Wieder ein Tag, der anderen gewidmet wird … 😉
Viele Grüße, Else
Ach, verflucht! Gute Besserung!!
Ich kenne besonders dieses „Ach, aufs Klo gehe ich später“-Gefühl. Wenn man das mal aufschreibt oder laut ausspricht, merkt man erstmal, wie bescheuert das ist!