Sam regiert mit harter Hand. Er übersieht nichts und lässt mir nichts durchgehen.
Wenn ich mit Straßenschuhen in die Wohnung gehe, brüllt er mir hinterher: „MAMA! Suhe ausziehe! Is alles dirty sonst.“ Beiße ich morgens schnell vom Brot ab und gehe kauend, mit dem Kaffee in der Hand ins Schlafzimmer, kriege ich ein „ MAMA, nich kaue und walk! Hinsetze bisse fertig kaue“ hinterher geplärrt.
Am Samstag sollten wir Besuch bekommen. Als es an der Tür klingelt, rennt Sam gleich hin und öffnet sie, während ich noch in der Küche die kochenden Spaghetti kontrolliere. Keine 5 Sekunden später kommt Sam zurück, baut sich vor mir auf und stemmt die Hände in die Hüften: „Mama, isse Koege (Kollege) von Papa da. Komme bitte und sage ‚Hallo’.“
Das grenzt an Terrorherrschaft. Nicht einen Schritt kann ich tun, ohne dass er mich aus dem Augenwinkel beobachtet. Er scheint auch Augen am Hinterkopf zu haben. Gestern stopfte ich mir heimlich eine Hand voll saurer Würmer in den Mund, während er mit dem Rücken zu mir auf dem Teppich saß und seine Puppe anzog.
Blitzschnell dreht er sich um und fokussiert mich aus seinen schmalen Augen. Ich bin ertappt, wage es nicht zu kauen.
„Was esse du da?“, verhört er mich. Ich kann die 5 sauren Würmer nicht schnell genug runterschlucken und auch nicht hinten in meiner Wange verstecken. Ich bekomme einen Hustenanfall und das saure Zeug kommt mir fast aus der Nase wieder raus. Sam sieht mich an und kommentiert herablassend: „Zuviel, Mama. Du habe schon 2 saue Wümma heute esse. Das reicht.“
Ich wünschte, er könnte schon lesen. Dann könnte ich ihm mal ein Buch von Jesper Juul geben. Darin steht: Man soll nicht ständig verbessern und drangsalieren, sondern einfach VORLEBEN! Und darauf vertrauen, dass es dann auch irgendwann nachgelebt wird.
Als ich Sam dann anfange, von Jesper Juul zu erzählen (weil er ja noch nicht lesen kann), unterbricht er mich und fragt: „Wer isse Jeppa juu?“
„Mmh“, fange ich an, „das ist ein Mann, der viel über Familie weiß und …“ Ich stottere, Sam springt ein: „Isse das eine friend, Mama?“
Gute Frage. „So was in der Art“, sage ich, „manchmal finde ich allerdings auch, dass er ein Klugscheißer ist und ich würde wirklich gerne mal einen Tag Mäuschen bei ihm in der Familie spielen.“
„Was isse Kugseisser?“
„Das erkläre ich dir, wenn du groß bist.“ Das nimmt er natürlich so nicht hin. „Binne schon groooß“, brüllt er. Wir verhaken uns und ich kriege ihn nur mit sauren Würmen ruhig. „Sam, du kriegst 3 saure Würmer, ok? Und dann ist Ruhe!“
„Will two saue Wümma, Mama!!“ Wenigstens mit den Zahlen hat er’s noch nicht so. Wenigstens da habe ich noch die Nase vorn.
P.S.
Gestern Abend sitzt Sam an seinem Mal-Tisch und versucht eine Packung Dino-Pasta in ein Papier einzupacken und mit den REWE–Tierstickern zuzukleben. Es klappt nicht, er sitzt da mit Schnuller und fängt an zu weinen: „Mama, klappe nich. Ich krieg’ nen Föhn.“
Er ist wirklich schon ein großer Junge.
Tags: Erziehung Jesper Juul Mutterwürde
4 Comments
Bin heute morgen mit müden und verklebten Augen durch den Schneematsch ins Büro gestapft. Wie gut, dass mich Lucie und Sam morgens oft beim ersten Kaffee mit ihren Stories begrüßen und erheitern. Jetzt kann der Dienstag kommen!
Sehr aufgewecktes Kind. Woher das wohl kommt? 😉
„ich kireg‘ nen Föhn“ 🙂
Großartig!
gniahaha…er kriegt nen Föhn 😀
Das ist sensationell 😀