Am Mittwoch haben Hilly und ich seit langer Zeit mal wieder einen Mädelstag. Ehrlich gesagt erinnere ich mich gar nicht mehr daran, wann der letzte stattgefunden hat. Im Zweifelsfall vor Sams Geburt.
Hilly und ich schlendern durch das Bötzowviertel, trinken in aller Ruhe einen frischgepressten Saft mit dem vielversprechenden Namen „Vitaminschleuder“, ohne dass mir jemand mit den Worten „aaaauuuuch trinke“ den Saft aus der Hand reißt und verschüttet. Wir sitzen im Café und reden in ganzen Sätzen miteinander, ohne dass Sam versucht Hilly zum Schaukeln zu überreden. Mit guten Freunden kann man sich ja auch mal anschweigen, aber wenn man Kinder dabei hat, dann werden diese Wellness-Pausen einfach konstant mit Vokabeln gefüllt.
Zur Krönung des Nachmittags landen wir in einem kleinen Nagelstudio für Maniküre/Pediküre. Und während meine Fußnägel trocknen und ich mich mit der GALA weiterbilde, kriegt Hilly die Fingernägel gemacht und unterhält sich mit der vietnamesischen Kosmetikerin.
„Wohnen Sie hier in der Gegend?“ Hilly nickt nur und begutachtet ihre Nägel. „Haben Sie Kinder?“, fragt sie weiter, während sie mit einer unfassbaren Geschwindigkeit den Lack aufträgt. „Nee“, ist Hillys Antwort, während sie die eine Hand schon in den Nageltrockner legt.
Die Nagelkünstlerin unterbricht ihre Arbeit und schaut erstaunt, ja fast erschrocken auf, als ob Hilly ihr gerade gebeichtet hätte, verbotene Flugblätter zu verteilen. Sie beugt sich verschwörerisch noch vorne und flüstert Hilly zu: „Ist nicht so schlimm. Die sind hier tolerant.“
Hilly ist erstaunt und schaut mich etwas irritiert an. Mir fällt fast die GALA aus der Hand.
Was für eine interessante Perspektive!
Während ich ständig die Fahne hochhalte für uns Mütter und oft genug denke „Leute, das Leben macht Geräusche, so ist es halt mit Kindern, macht euch mal locker“, gibt es da noch eine Fraktion, die versucht den Kopf über Wasser zu halten in diesen Kinder-Bezirken.
Wie fühlt man sich eigentlich als Mann oder Frau in diesen Bezirken, wenn man keine Kinder hat? Sei es gewollt oder ungewollt. In jedem Café gibt es eine Ecke mit kleinen Stühlen und Tischchen, an jeder Eisdiele Kinderkugeln, es gibt den Kinder-Zahnarzt und den Kinder-Osteopathen. Mir selber fällt das schon gar nicht mehr auf.
Und während ich so weiterdenke frage ich mich: Gibt es eigentlich Bezirke, in denen es gar keine Kinder gibt? So absolut gar kein einziges? Kinderfreie Hotels gibt es ja auch schon.
Zu Hause google ich das gleich mal und werde tatsächlich fündig: Es gibt ein Dorf in Schottland. Ausgerechnet Schottland! Da kommt doch meine Großmutter mit ihren zehn Kindern her. Was hätte die wohl dazu gesagt?
Auf jeden Fall darf man dort nur hinziehen, wenn man keine Enten, Hasen, Tauben, Bienen und Kinder hat. Großartig, das alles in einem Atemzug zu nennen. Und damit die ganz sicher gehen, dass man nicht doch ein ungeborenes Kind rein schmuggelt, liegt das Einzugsalter bei 45. Gut, Gianna Nannini dürfte da nicht hin. Und auch Sarah Connors Mutter wäre da gleich wieder rausgeflogen.
Und während ich das lese merke ich, wie mir beides fremd ist. Die Mütter-Armadas, die zu fünft nebeneinander auf dem Bürgersteig laufen und niemanden durchlassen und auch das klinisch „kindersaubere“ Dorf in Schottland. Ich finde diese Ghettoisierung irgendwie ungesund. Stellt euch mal vor, man hätte einen Bezirk in dem nur Shopping Queen Fans leben dürften. Das ist zwar für 48 Stunden vielleicht ganz unterhaltsam, aber dann? Puuhh, schwierig. Wie seht ihr das?
Tags: Leben
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